Wer mich kennt, weiß dass ich einigermaßen selten etwas zu Restaurantbesuchen schreibe. Das überlasse ich gerne Julien Walter.
In diesem Fall komme ich nur schlecht drum herum. Nach rund einem Jahr und einigen Besuchen in der bayrischen Landeshauptstadt, habe ich es endlich in den Werneckhof by Geisel geschafft. Ja, ich war verdammt traurig als der übertalentierte Maître Markus Klaas das Vendôme von Joachim Wissler im letzten Jahr verließ und wollte mich eigentlich nicht damit abfinden. Andererseits bin ich liebend gerne in München und konnte mir ausmalen, wie geil die Kombi von Markus und seinem Bruder Tobias Klaas im Service ist, während Tohru Nakamoura in der Küche die Teller bespielt.
Der Empfang im sehr schönen, urigen Werneckhof war außergewöhnlich persönlich und zeigte, dass die zwei Gs im Service zur Benchmark in ihrem Fach gehören. Nach ein bis vier Gläsern, der hier offen ausgeschenkten und immer überzeugenden Premiere Cuvee von Bruno Paillard, begann das von Tobias im Vorfeld bereits ausgiebig angekündigte Feuerwerk. Dabei reden wir nicht nur von außergewöhnlichem Service, grenzgenialen Speisen oder einer großartigen Weinbegleitung, sondern dem gesamten Werk, das man hier erleben kann. Das Zukushi vom Kürbis – I like everything but Kürbis – überzeugte sogar mich und machte Hoffnung auf das, was ich von Tohru als Chef erwartet habe: viel roher Fisch, viel Japan, ggf. etwas international fusioniert & geile Produkte. So kam es.
Normalerweise schreibe ich etwas zu meinen Lieblingsgerichten des Menüs. Dies wird hier jedoch schwierig. Das Menü traf zu 110% meinen Geschmack und ich grinste bereits nach der Jakobsmuschel mit Steinpilzen, Yuzu, Herzmuscheln & Entenleber und dem eingeschobenen Hamachi mit Taschenkrebs, Kapuzinerkresse & Sellerie wie ein Honigkuchenpferd. Beides Produkte, die ich sehr liebe und die hier in Perfektion auf dem Porzellan gelandet sind. Die gebeizte Seeforelle mit Melothria, Soba Koji, Rocottochili & Miso-Senföl war neben dem geschmacklichen auch ein Hochgenuss für das Auge.
Pause. „Hätten Sie vielleicht Lust auf eine kleine Reise?“ „Wenn es was zu trinken gibt.“ Und so ging es raus aus dem Gastraum, rein in den Keller – genauer gesagt Tobis Weinkeller – wo das klassisch japanische Shibuya – Streetfood – seine Würdigung fand. Bei einem kühlen japanischen Bier & einigen Erläuterungen zum Shibuya gab es frisch angemachtes und auf frittierter Alge angerichtetes Tatar als Fingerfood. Eine wirklich geniale Idee. Man verliert längst nicht den Faden des Menüs, kann vier Schritte gehen und bekommt ein einfaches, jedoch besonderes Highlight geboten. Shibuya. Ende.
Weiter ging es. Beim Steinköhler scheiden sich die Geister. Mit Sepia, japanischem Zierkohl, Chorizo & Kimizu wurde der enorm intensive Fisch serviert, harmonierte wunderbar mit der Chorizo und war der bis dahin vielleicht beste, sicher jedoch geschmacklich spannendste Gang des Menüs.
Dann wurde es bahnbrechend. Das Kotelett vom Rochenflügel mit Aubergine, Zucchini, Umeboshi-Ponzu & Shisomousseline war sicher eins der besten, aussagekräftigsten Gerichte, die ich in meinem Leben essen durfte und haute mir die Kinnlade runter (20). Auch hier muss die Präsentation erwähnt werden, die durch das ganze Menü hinweg wirklich wunderschön, hoch-kreativ & beeindruckend war.
Ein weiteres Lieblingsprodukt meinerseits folgte auf den Rochen – Kalbsbries. Hier wird eine sportliche Portion mit geröstetem Kombu, Rettich, Kaffee & Ramenbouillon serviert. Harmonie pur. Geschmack pur. Großartig.
Das Ozaki Wagyu – Tohru ist einer von sehr wenigen, die dieses Stück Fleisch wirklich aus Japan erhalten und nicht auf andere Länder zurückgreifen müssen – ist mit Sojakirschtomaten, gefüllter Zwiebel & Basilikum absolut tadellos und on point, insgesamt allerdings das „unaufgeregteste“ Gericht im Menü.
Ob Käse oder Dessert wird hier klar mit Dessert beantwortet. Käse wird hier im Hause nicht ganz so groß geschrieben, was sich aufgrund der beiden servierten Desserts von Kirsche & Sonnenblume jedoch aushalten lies.
Zum Abschluss wurde überprüft, wie viel der Gast getrunken hat. Als Post-Desserts sollte man den englischen Garten mit Puzzle-Teilen nachbauen. Darauf wurden dann noch einige kleine, vorzügliche Süßigkeiten serviert, bis es schließlich als Schlusspunkt des Menüs einen Glückskeks mitsamt Nachricht gab.
Und so weintechnisch? In der Regel suche ich mir selbst etwas von der Karte und trinke dann Flaschenweise durch den Abend. Bei Sommelier Tobias Klaas entscheide ich mich selbstredend für die Weinbegleitung. Gute Wahl.
Wie erwartet hatte es die Weinbegleitung in sich. Ob der „einfache“ Bourgogne Blanc von Roulot aus 2016, 15er Pettenthal von Kühling-Gillot, ein knackig frischer 1996er Roter Traminer aus dem Hause Tement, ein rarer Saint-Peray von Clape, weißer Saint-Joseph von Guigal, Volnay Premier Cru von Comtes Lafon aus 98 oder – sehr spannend – eine 2016 angesetzte Cuvee aus grünem & schwarzem Tee namens Erna. Sehr durchdacht, sehr hochwertig, sehr geil. Nicht weniger hatte ich erwartet.
Und somit komme ich zum Abschluss meiner Beweihräucherung des Werneckhofs, die jedoch absolut gerechtfertigt ist. Und auch objektiv betrachtet frage ich mich, was die Herrschaften vom Guide Michelin hier so gemacht haben. 2 Sterne?! Für mich schwer nachvollziehbar. Das ein Menü über die gesamte Länge auf so einem hohen Niveau performed, ist außergewöhnlich, lässt mich schwärmen und dieses Essen als eins der besten Essen meines Lebens betiteln. Chapeau, Tohru.
Natürlich ist hier auch entscheidend, was außerhalb der Küche passiert. Was die Brüder Klaas mit ihrem Team zeigen, ist einfach filmreif. Oft mehr schwebend als gehend, unfassbar aufmerksam und akkurat, irrsinnig professionell, ohne dabei die Gelassenheit und den Spaß zu verschlucken den man ihnen ansieht und anmerkt. Man kann sich froh schätzen, dieses erleben zu dürfen.
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