Vinho Verde ist eine Reise wert“, hörte ich zuletzt immer wieder. Wieso?

Das wollte ich herausfinden und so trat ich meine erste Reise in den Westen der Iberischen Halbinsel an. Was mich erwartete? Wahrscheinlich viel Regen, denn Vinho Verde gehört zu den nassesten Gebieten Europas überhaupt. Außerdem wird es wohl ein ganzes Spektrum an Weißweinen geben dachte ich. Weißweine, mit denen ich mich bisher nur begrenzt auseinandergesetzt hatte, weshalb die vier Tage vor Ort eine spannende Entdeckungsreise werden würde.

Als erstes stellte ich fest, dass das von vielen Flüssen durchkreuzte Gebiet im Norden Portugals vor Leben strotzt. Stände eine Region, die ich bisher besucht habe, für das Wort Fruchtbarkeit, wäre es Vinho Verde. Sobald wir das nahe der Mündung des Douro-Flusses gelegene Porto verlassen, und uns auf ins Landesinnere aufmachten, wurde genau diese Fruchtbarkeit klar. Es ist so unglaublich grün. Saftige Grüntöne wohin man schaut.

In Sachen Programm hatte der CVRVV, der Veband der Vinho Verde Weine, eine spannende Rundreise geplant, um meiner vier köpfigen Gruppe – drei Amerikaner und ich – die Region von all ihren grünen Seiten zu zeigen. 

Kick-Off war bei Quinta de Arcas, wo uns Tomás zunächst ein kurzes Intro zum Thema Klima, Rebsorten, Export und internationale Märkte gab. Und tatsächlich trinken sowohl die Amis als auch wir Deutschen einen beträchtlichen Teil des exportierten Vinho Verde. Bei allen von uns besuchten Weingütern gab der Winzer oder Geschäftsführer an, dass die USA und Deutschland jeweils zu den TOP 3 Abnehmern der hiesigen Weine zählen.

Vinho Verde – Die Rebsorten

Mit 45 authochtonenautochthonen Rebsorten ist die Vielfalt groß, wenn auch das Gros der Weine aus neun Rebsorten vinifiziert werden. In Sachen Weißweine, für die Vinho Verde weltweilt bekannt ist und geliebt wird, ist Alvarinho die wohl bekannteste und für die hochwertigsten Weine stehende Rebsorte. Loureiro dagegen ist die meist angebaute weiße Traube, dazu kommen Arinto, Avesso, Azal und Trajadura. Soll es rot sein, ist der Wein höchstwahrscheinlich aus Espadeira, Paderia oder Vinhão. 

Nach getaner Arbeit mussten wir natürlich die hiesige Qualität überprüfen, insbesondere auf das Vorurteil hin, dass Vinho Verde nicht zum Reifen gemacht ist und in den ersten ein, zwei Jahren getrunken werden sollte. Antonio, einer der Geschäftsführer von Quinta de Arcas, hatte dafür eine Vertikale von seinem Alvarinho zusammengestellt. Die Vertikale (mehrere Jahrgänge des gleichen Weins) zeigte die Weine von 2014, 2015, 2016, 2017 und 2018. Aus dem heimischen Keller des Weinguts, in dem die Flaschen perfekt reifen konnten, wird hier eines sofort klar: Jeder Jahrgang, besser gesagt jedes Reifestadium, hat seinen Charme, wenn auch ich 2014 und 2016 in dieser Reihe am ansprechendsten fand. Von Jahr zu Jahr verändern sich die intensiven floralen Noten und Aromen von weißem Obst, am Gaumen sind sie allesamt frisch, quicklebendig und mit der bekannten Alvarinho-Säure ausgestattet. Keinesfalls ist dabei die für mich erste portugiesische Mahlzeit, die Antonios Mutter mit viel Liebe und Aufwand zubereitete, zu vergessen. Der perfekte Einstand in eine Woche voller unfassbar leckerer Gerichte, insbesondere mit Fisch und Gemüse. Ob die frittierten Sardinen, die typischen Kroketten oder der zum Hauptgang mit einer Vielzahl von Kräutern präparierte Loup de Mer. Großartig! Übrigens sehr spannend, und unbedingt zu probieren: Die Organic Linie von Qhinta das Arcas.

Am folgenden Morgen starteten wir zum Frühstück mit einem kleinen Tasting von Quinta da Raza und Quinta da Calcada, zu welchen Weingütern ein wunderschönes Relais & Chateaux-Hotel mitsamt Sternerestaurant gehört. Traumhafte, urige Location im Boutique Stil. 

Covela – Lunch für Champions

Weiter geht’s zu einem weiteren Highlight des Tages – Covela. Das Weingut liegt inmitten der „grünen Hölle“. Zum einen liegt es inmitten eines Meeres von Grün, zum anderen ist das gesamte Anwesen mit Efeu, Pflanzen und bereits wunderschön blühenden Blumen bewachsen. Es hat etwas von einem Märchen, mit seinen alten Türen, einem kleinen Brunnen, in dem neben Goldfischen auch kleine Geckos schwimmen und seinen mit Früchten voll hängenden Zitronen- und Orangenbäumen.

Wer mich kennt weiß, dass ich nicht der größte Rosé-Fan bin und außer einigen wenigen Ausnahmen lieber zu weißen oder roten Weinen greife. Vitor von Covela hat da die richtige Kur – den Covela Rosé aus der Magnum zum Aperitif und Lunchstarter. Hergestellt aus Touriga Nacional haben wir hier einen alles andere als belanglosen Rosé im Glas, der mit gleich konzentrierter Farbe wie Aromen besticht. Rote Frucht, staubtrocken mit Anspruch und Tiefe. Echt richtig gut. Habe nach dem Trip zwei Kisten geordert – und er schmeckt auch ohne Blick auf die Reben Covelas sehr gut. 

Der Lunch ist so klassisch wie phänomenal. Bacalao oder Dorsch/Kabeljau, das Nationalgericht, wird hier in einer Unmenge verschiedener Formen auf den Teller gebracht. Einige Varianten durfte ich während der Reise probieren, diese hier zur Vorspeise ist mein absoluter Liebling – bisher. Der Koch hat den Bacalao leicht frittiert und anschließend mit in Essig eingelegten Karotten und Zwiebelstreifen serviert. Jesus, war das gut! Die Hauptspeise war ein Reisgericht mit kross gebratener Wurst und Ente. Viele Röstaromen, recht viel Fett, dazu gab es etwas Rotes. Und bei der 2013er und später noch verkosteten 2007er Reserva zeigte sich, dass auch die Roten komplett problemlos mit Zeit auf der Flasche klarkommen und sich wunderbar entwickeln. Kein Wunder, denn wir hatten eine Cuvee aus Touriga Nacional, Cabernet Sauvignon und Merlot. Ein Super-Portugieser, quasi – in Anlehnung an die Supertoskaner dieser Welt. Dazu wurde die komplette Palette an weißem Stoff gereicht, den das Portfolio von Covela hergibt. Hier kommt vor allem die Hauptrebsorte Covelas zum Einsatz – Avesso. Ob solo oder als Cuvee mit Chardonnay oder Arinto. Ausprobieren und schmecken. Genau „my type of a perfect lunch“!

Abschließend konnte ich beim Besichtigen der Weingärten noch etwas Spannendes feststellen: Einige Rebzeilen haben vor Kopf große, massive Pfosten aus Schiefer, wie wir ihn aus unseren Gefilden an der Mosel kennen. Hier werden die Rebzeilen auf Schiefer gespannt – auch nicht schlecht. Vom Nutzen weniger relevant, jedoch in Sachen Optik ein wahrer Hingucker! (Siehe Bild später)

A&D Wines – Wine with a view

War der Besuch bei Covela schon großartig, ging es von dort aus zum nächsten Knaller – A&D Wines. Ein familiengeführtes Weingut, das besonderen Wert auf natürlichen Umgang mit der Natur legt. Weswegen alle Weine, die aus den 7ha Rebfläche auf die Flasche gebracht werden, organisch sind und deren Herkunft widerspiegeln sollen. Wie wir während eines eindrucksvollen Dinners mit Snowcrab, Lachs famoser Qualität und weiteren Leckereien feststellen konnten, bereiten die Weine – ausschließlich weiß – jede Menge Trinkspaß. Besonders angetan hatte es mir die „Monologo“-Serie des Hauses. Mongologo sind hier Weine, die ausschließlich aus einer Rebsorte hergestellt werden und sich somit auch am Grundgedanken und der Philosophie des Hauses orientiert. Rebsorten werden einzeln vinifiziert, sollen die Herkunft und jährlichen Gegebenheiten wiederspiegeln, ohne dabei mehr in den Prozess einzugreifen als nötig. Und das klappt sehr gut, wie ich finde. Besonders der Avesso P67 – P67 steht für Plot 67, woher seine Trauben stammen – hatte es mir beim Dinner angetan. Ansprechende Frische, gepaart mit Komplexität und einem saftigen Mundgefühl. Hier fanden sich eine ganze Reihe exotischer Früchte, weiße Blumen, etwas kräutriges und Zitrus in der Nase. Der Gaumen fühlte sich schlichtweg super an, war saftig, die Säure war gut eingebaut und erzeugte jede Menge Zug und Verlangen nach dem nächsten Glas. Die gesamte Kollektion – auch hier besonders Avesso-geprägt – ist ein rundes Paket und macht sowohl zum Essen, als auch zum gemütlichen Abend mit Freunden auf der Terrasse Spaß. Okay, zugegeben, dort in der Vinothek von A&D Wines, die auf einem Hügel liegt und somit Blick auf das Tal bietet, ist der wohl beste Ort diese Weine zu genießen. Die Vinothek ist ein hochmoderner, durchgestylter Bau mit Terrasse und auf die Weinberge ausgerichtetem Pool, der alle paar Minuten die Frage aufkommen lässt, ob man sich nun mit seinem Glas und Blick auf Weinberge oder Tal niederlässt. Totale Stille, ein einzigartiges Szenario, guter Wein – what else? Nothing!

Auch hier gab es beim Spaziergang durch die Weinberge etwas zu sehen. „Etwas“ wird hier „die Großmutter“ genannt und ist ein mehr als beeindruckendes Monument von einem Wesen. Es handelt sich hier um eine riesige, 150 Jahre alte Rebe – Pre-Phyloxera, „von vor der Reblaus“ also. Die 100- jährigen Reben die ich kenne, sind in der Regel klein, mickrig, nicht mitgenommen aber geprägt von der langen Zeit und wenig fruchtbar. Anders die Großmutter. Ast um Ast, Trieb um Trieb, Windung um Windung streckt sie sich in die Höhe und wird von einem saftig grünen, vor Fruchtbarkeit strotzenden Blätterdach bedeckt. Beeindruckend. Zur Reecht ist die Familie stolz auf dieses „Familienmitglied“, hegt und pflegt es, obwohl es vielleicht noch den ein oder anderen überleben wird. 

Wer denkt, dass ich etwas schönrede, weil ich von einem nach dem nächsten Highlight spreche, hat weit gefehlt. Die Reise bot ein super vielseitiges Programm und zeigte die Region von all ihren Seiten. Im Fokus standen selbstverständlich die Winzer und ihre Weine, aber auch die sauleckere lokale Küche und Sehenswürdigkeiten bekamen ihren Auftritt. 

Backe, Backe, Margarides!

So wie der Besuch eines kleinen, in 3. Generation geführten Bäckereibetrieb, der sich auf die Produktion von „Margarides“ spezialisiert hat. Margarides sind kleine auf Ei-basierende Biskuits mit Zuckerglasur. Ein denkbar einfaches, wie leckeres Gebäck, von dem ich eine nicht unbeträchtliche Menge für Familie und Freunde mit nach Hause genommen habe. Die Bäckerei befindet sich in einem normalen Wohnhaus. Dass darin ein wirklich wunderschöner, alter, blutroter Ofen schlummert, der seit Jahrzehnten die in aller Ruhe, jedoch mit fast schon beängstigender Präzision von den Damen hergestellten Margarides backt, denkt wohl niemand. Die Bilder von diesem StopStopp sind zwar sehr schön geworden, können die Urigkeit und Schönheit, die Gelassenheit und auch das Desinteresse der Damen an uns, nicht ausreichend festhalten. Die letzten 5% müsst ihr euch einfach vorstellen!

Quinta de Aveleda – Tradition ohne ChiChi

Einer der global Players in Sachen Vinho Verde ist die Quinta de Aveleda, die das größte Weingut der Region und weltweit vertreten ist. Für diese Ausmaße und die weltweite Bekanntheit war ich überrascht von dem doch eher schlicht gehaltenen Weingut. Klar, groß ist es, aber es strotzt nicht von „wir sind die Größten“. In Aveleda gelegen, ist das 1671 gegründete Traditionsweingut spezialisiert auf den klassischen und so beliebten Vinho Verde aus den Trauben Loureiro und Alvarinho. Die Region ist klimatisch gut bedient und so kann man sich auf der Quinta de Aveleda an einem eher milden und insgesamt recht sonnigen Klima erfreuen. 

Besonders widmeten wir uns den noch nicht gefüllten 2018ern – spannend: eine der Alvarinhos wächst auf Schiefer –  und dem riesigen Garten der Quinta. Alles war grün, sehr gepflegt, herrlich blühende Blumenanlagen, Bienen wohin man schaute – Ruhe und Natur vereint. Der abschließende Lunch fand im hauseigenen Restaurant statt – natürlich gab es auch hier wieder eine leckere Variation des Bacalao – bevor es direkt weiter zum nächsten Weingut ging.

Quinta de Pacos – Und Arinto reift immer noch wunderbar

Die mal länger, mal kürzer ausfallenden Fahrten zwischen den einzelnen Stationen unseres Trips erlaubten uns, zwischendurch immer wieder das Landschaftsbild von Vinho Verde aufzusaugen. Dieses strotzt – auch wenn man zwischen den Unterregionen hin und her reist – nach wie vor von satten und saftigen Grüntönen. 

Bei Quinta de Pacos wurden wir von Paulo Matos Graca Ramos empfangen, der das 500 Jahre alte und heute mehr als 20ha bewirtschaftende Weingut in der Region Minho leitet und uns zunächst durch die Weingärten führte. 

Besonders beeindruckend war dann jedoch die Verkostung. Neben einem sehr weitreichenden Portfolio an Weinen, die sowohl jung als auch mit 2,3,4 Jahren Reife wunderbar zu genießen waren, gab es zum Abschluss einen 2002er Arinto welcher mich wirklich schwer begeisterte. Voll im Saft stehend, erinnerte er an das grenzgeniale Rum-Rosinen-Eis von Haagen Dazs und ließ uns alle schwärmen. Übrigens auch sehr passend zu etwas üppigeren Bacalao-Gerichten, wie dem, das es im Anschluss gab. Hier wurde mit mehr Fett und somit Power gearbeitet und konnte dem gereiften Vinho Verde die Stirn bieten. 

Vinho Verde – Mehr als nur einfache Weiße

Was eine Tour! Vor der Tour war ich mir schon recht sicher, dass ich eine ganze Reihe wunderbarer Weine in besonderer Umgebung verkosten würde. Dass es in der Region Vinho Verde jedoch so eine Vielfalt an sowohl weißen als auch roten Weinen gibt, hätte ich nicht gedacht. Besonders spannend war für mich die Tatsache, dass Alvarinho natürlich wunderbare Weiße, doch auch die anderen weißen Rebsorten komplexe, ursprungsbezogene Weine hervorbringen. Ob als Solisten für die warme Jahreszeit, oder als Speisebegleiter über das ganze Jahr, zu Meeresfrüchten, Fisch und hellem Fleisch eignen sich die Weißen aus Vinho Verde wunderbar. Besonders wenn es dann eine der unzähligen Varianten des Bacalao ist, passen sie hervorragend! Wird es in der Küche dann mal etwas rustikaler, deftiger mit rotem Fleisch oder Geschmortem, darf es auch gerne ein roter Vinho Verde sein. Es gab viel zu entdecken, und ich bin mir sicher, dass ich noch einige spannende Weine finden und verkosten werde!


BJRLeBouquet

Björn Bittner ist der Gründer von BJR Le Bouquet. Im Magazin beschäftigt er sich mit den Themen Premium-Kulinarik, Luxus und Lifestyle. Bon Vivant!

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Tags: Portugal

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