Weinregionen

Ribera del Duero – Die Reise in die Hochebene

Ein Hundewelpe kann ein Leben enorm verändern. Gegebenenfalls legt man sich genau deshalb einen zu, oder man möchte sich einfach an der permanenten Anwesenheit eines Vierbeiners erfreuen. Ich bekam meinen Welpen – Winston – im September und war seit dem mehr oder minder “out of Office”. Genau das war auch der Grund, warum ich reihenweise Reisen in die Weinregionen dieser Welt abgesagt habe. Ob Italien, die Schweiz oder innerhalb Deutschlands – “leider muss ich absagen, ich werde hier zuhause gebraucht”. 
Doch es gibt natürlich Ausnahmen. Und diese bestätigen wie immer die Regel. Wenn das Telefon klingelt und die Möglichkeit offeriert wird einen “Bucket-List”-Punkt abzuhaken, muss man trotz allem nicht zu lange überlegen. So war es. Die Region Ribera del Duero, mit der ich dieses Jahr eine ganze Reihe Weine verkostet und eine ganze Menge Wörter zum Besten gegeben habe, lud zu einer Reise mit spannendem Programm und interessanten Weingütern. Wo der Bucket-List-Punkt war? Der Besuch von Vega Sicilia, einem meiner All-Time-Favorites, wenn es um Rotwein und Wein im Allgemeinen geht und mit dem Unico ein Wein, der mir wundervolle Momente und Begegnungen beschert hat. 

Von eisig bis heiß – Tag-Nacht-Schwankungen hautnah

Also, gesagt, getan. Der Welpe muss sich drei Nächte am Riemen reißen und der Papa fliegt nach Madrid und ist nach kurzem Transfer im Herzen der Region Ribera del Duero. Die Region befindet sich rund zwei Stunden nördlich von Madrid und liegt auf einem der beiden Hochplateaus der iberischen Halbinsel – der Castillo y León – direkt am Duero Fluss. Zu erwähnen das es sich um ein Hochplateau handelt, ist hier relevant. Durchschnittlich stehen die Reben hier auf rund 800 Meter über dem Meeresspiegel, was im Sommer tagsüber heiße Temperaturen und in der Nacht ziemlich kalte Temperaturen mit sich bringt. Das Klima ist hier streng kontinental und die Tag-Nacht-Schwankungen sind enorm, was ich aus der Theorie bereits wusste. Während meiner Reise Ende Oktober durfte ich es am eigenen Körper erleben: in den Stunden rund um die Mittagszeit sind es warme 22°C, Nachts und in den frühen Morgen- und Abendstunden knackige 0-2°C. Das fordert die Garderobe während der vier Tage vor Ort heraus und bringt die Kapazitäten hier und da an ihre Grenzen. Und ganz ehrlich: es macht verdammt viel Spaß dieses Temperaturspektakel live zu erleben. Besser mit entsprechender Kleidung als ohne, dennoch hilft es, die Weine der Region und die Arbeit der Winzer in der Region zu verstehen.

Was des Menschens Leid, ist des Rebes Freude. Diese extremen Tag-Nacht-Schwankungen betragen im Sommer nach Aussage von Mario Moro, Juniorchef von Emilio Moro, zwischen 20 und 25 Grad. Tagsüber Wärme, die die Reife der Trauben vorantreibt, Nachts eine wohltuende Abkühlung, die der Säure und den Tanninen zugutekommt. 

Die Lese des 2021 Jahrgangs – ein übrigens sehr guter Jahrgang, da sind sich alle Winemaker einig – wurde in einigen Weingütern vor nur wenigen Tagen, bei anderen Produzenten mit anderem Mikroklima schon vor einigen Wochen beendet. Hier und da hängen noch übriggebliebene Trauben, andernorts liegen sie auf dem Boden zwischen den Rebzeilen. “Schade”, könnte man meinen, ist die in grün getunkte Landschaft mit den blauen Trauben doch immer besonders schön. Nicht minder schön, jedoch ganz sicher abwechslungsreicher ist das Farbspiel dann, wenn der Herbst Einzug erhalten hat. Die Landschaft mit ihren Hügeln, Erhöhungen und Talsohlen in den unterschiedlichsten Schattierungen von rot, orange, braun und gelb ist ein absolutes Highlight und lässt das Herz eines jeden Naturliebhabers und selbstredend Weinfreunds höher schlagen. [Bild Moro Landschaft]

Immer dann, wenn ein Verband zu einer Reise einlädt, bin ich gespannt auf das Programm und die Weingüter, die man besuchen wird. Dass die Reise kein Zuckerschlecken wird, ist im Vorfeld eigentlich immer klar. Wenn man schon in der Region ist, möchte man als Besucher möglichst viel von dieser sehen, als Ausrichter möglichst viel zeigen. 

Neben dem Besuch auf Vega Sicilia, das nicht nur der Leuchtturm der Reise, sondern auch das Zugpferd der ganzen Region ist, ging es zu kleinen, mittelgroßen und großen familiengeführten Weingütern, sowie biodynamisch arbeitenden und konzern geführten Häusern. 

Drei Weingüter, auf die mich ebenfalls besonders gefreut habe, waren Tinto Pesquera, Áster und Emilio Moro. Das eine – Tinto Pesquera – ist mit seinem alten, ikonischen gelb-orange farbigen Etikett ein Klassiker des gesamten spanischen Weinbaus, das andere – Emilio Moro – ist ein wichtiges Haus für die Region und bringt neben eindrucksvollen Mengen hohe Qualität auf die Flasche. 

Zu Gast bei den großen Namen

Tinto Pesquera, 1975 von Alejandro Fernandez gekauft, war das erste Weingut, das in Ribera del Duero Wein angebaut und vinifiziert hat. Neben den ikonischen Etiketten, die vor wenigen Jahren leider ausgetauscht wurden, ist das Weingut also der Pionier in der edlen Region der Castillo y Leon. Heute wird das Weingut von einer der vier Töchter von Alejandro geleitet und setzt – auch nach dem Vater – zu 100% auf Tempranillo. Auch wenn sich die Etiketten geändert haben mögen, setzt man weiterhin auf die klare Linie des Hauses: Eleganz, Strahlkraft und möglichst moderater Einsatz von Holz. Damit hat das Weingut und seine Weine internationale Beliebtheit erfahren und so soll es auch bleiben. 

Besonders beeindruckend beim Besuch von Tinto Pesquera ist die alte Presse, die belegt, wie in früheren Zeiten ohne maschinelle Unterstützung gearbeitet wurde. [Bild Presse/Keller/Tasting]

Bei Emilio Moro ging es zunächst mit Mario, dem Sohn des Hauses, in die Weinberge – morgens um 08:00 Uhr. Doch auch wenn statt der 1°C eine -3°C auf der Temperaturanzeige aufgeleuchtet wäre, hätte ich diesen eisigen Morgen in den Weinbergen auf keinen Fall missen wollen. Die Sonne ging gerade auf, als wir in der Einzellage Valderramiro stehen und uns die über 80 Jahre alten Reben anschauen. Der nächste Halt soll den besten Blick der ganzen Reise präsentieren. Über den Hügeln der Region mit Blick auf die Paradelage von Sanchomartin zur einen, auf ein in Herbstfarben getauchtes Tal zur anderen, erstreckt sich ein Blick für die Weingötter. Diese Momente fehlen oft auf Weinreisen, geben sie doch – im wahrsten Sinne des Wortes – einen wunderbaren Überblick und bieten eine erfrischende Abwechslung zum 100. Kellerbesuch, wenn auch der Keller von Emilio Moro sehr modern und informativ gestaltet ist.

Das Weingut Aster gehört zur Grupo La Rioja Alta, einem Weingut, mit dem ich seit Jahren arbeite und freundschaftliche Beziehungen pflege. Und alles, was diese “Grupo” anfasst, wird wunderbar. So auch beim Projekt, das man in Ribera del Duero ins Leben rief. 1991 wurden hier bereits die Tempranillo-Reben um das im Chateau-Stil erbaute Weingut gepflanzt. Der erste Wein sollte der 1999 Jahrgang sein, welcher jedoch bei weitem nicht den eigenen, hohen Ansprüchen genügte. Deswegen ging es 2000 zum Millenium los und zieht die Linie mit zwei Weinen bis heute – dem Unternehmen treu – klar durch. Natürlich gehen die Weine zu den Besten der ganzen Reise, etwas anderes war nicht zu erwarten. Die beiden reinsortigen Tempranillos – Aster Crianza und Finca El Otero – sind eine Art Status Quo des Ribera del Duero. Präzise, sauber und mit wenig bis moderatem Holz zeigen die in typischer Unaufgeregtheit, wie es geht. 

Dann war es so weit. Jeder Weinliebhaber hat ein paar Weingüter und Weine, die ihn besonders beeindrucken. Für mich gehört Vega Sicilia zu diesen wenigen Weingütern und steht damit in einer Riege mit Mouton Rothschild oder Dom Perignon. Spricht man von solchen Kalibern von Weingütern, ist ein Weingutbesuch nur sehr schwer zu bewerkstelligen, wenn man es überhaupt schafft Einlass zu erhalten. Alle Winzer der Reise bescheinigten mir zum einen natürlich die Begeisterung von Vega Sicilia, jedoch auch, dass es äußerst schwer ist, das 1000 ha große Gelände mit Einladung zu betreten. 

Ein Grund mehr sich zu freuen. Bereits von weitem sieht man das Aquädukt, das sich auf dem Anwesen befindet und die Vorfreude noch weiter steigen lässt. Aus dem Bus ausgestiegen fällt direkt die aufwendig gepflegte Anlage auf, die das Weingut und das Sommerhaus der Familia Alvarez liebevoll umschmeichelt. 

Wie bereits erwähnt, sind Kellerführungen meistens Kellerführungen und gleichen sich mehr oder weniger. Zwar werden die Tanks auf Vega Sicilia auch nur mit Wasser ausgespült und der Kellermeister ist ein ganz normaler Mensch, dennoch fühlt es sich hier anders an. Das liegt zum einen am Mythos, der über dem gesamten Anwesen liegt, zum anderen an der Ausstattung, die keine – absolut gar keine – Wünsche offen lässt. Die gesamte Kellerei samt eigener Küferei – für viele Mitarbeiter einer der Lieblingsorte des Weinguts – ist eine Symbiose aus Ästhetik und Funktionalität und beeindruckt schwer.

Die Führung durch die heiligen Hallen machte niemand geringeres als Gonzalo Iturriaga, Technischer Direktor der Tempos Vega Sicilia. Ein denkbar entspannter Typ, der jederzeit einen lustigen Spruch oder eine Anekdote im Ärmel hat. Wo Touren durch ein Weingut oft staubtrocken, lang und undynamisch sein können, gleicht es hier einem Spaziergang mit dem alten Schulfreund Gonzalo, der vor sich hin schlendernd von seinen Aufgaben erzählt und immer ein Grinsen auf den Lippen hat. 

Besonders wird es dann im Anschluss, wenn wir gemeinsam das Sommerhaus der Familie Alvarez aufsuchen, wo wir im japanischen Raum die von Gonzalo Iturriaga geführte Verkostung haben. Das Haus gleicht von außen einem kleinen Schloss aus Walt Disney und ist von innen stilvoll mit Kunst und Antiquitäten gespickt. 

Die Verkostung wird im Stehen, an einem großen runden Tisch abgehalten und fügt sich nahtlos an die Besichtigung an. Gonzalo ist schlichtweg tiefenentspannt, schwenkt leger das Zalto, hat dabei immer mal wieder eine Hand in der Alcantara-Jacke und unterhält sich quasi mit jedem. Gleichzeitig. Natürlich geht es immer um den Wein, wobei der hier in dieser Atmosphäre ein wenig in den Hintergrund rückt. Alion 2018 macht jetzt schon großen Spaß, Valbuena No. 13 aus 2016 ist ein Großer, braucht jedoch noch gute fünf Jahre und Unico 2011 ist einfach Unicó. Viel mehr möchte ich gar nicht vorwegnehmen, sondern in einem gesonderten Artikel über den Besuch bei Vega Sicilia eingehen. 

Fazit

Was bleibt? Eigentlich sollte ich bereits 2019 und 2020 ins Ribera del Duero fliegen. 2019 ging es terminlich nicht, 2020 ist wahrscheinlich klar. Doch auch in 2021 ist die Region am Duero Fluss spannend und zur Herbstzeit so schön sie nur sein kann. 

Natürlich steht Ribera del Duero nach wie vor für Rotweine von der Tempranillo-Traube, gar keine Frage. Dennoch bewegt sich etwas im Norden von Madrid. Dem Klimawandel und den immer wärmeren Temperaturen über das Jahr hinweg begegnet man hier mit Höhenlagen und flexiblen Lesezeitpunkten. 

Auch das Thema Bio steht hoch im Kurs. Viele Produzenten versuchen immer naturnaher zu arbeiten, die Bögen und Trauben für sich sprechen zu lassen. Einige kleinere Betriebe arbeiten bereits biodynamisch, sind begeistert und teilen ihre Begeisterung auch mit anderen Produzenten. 

Mit der Puristik der Weine, dem Fokus auf das Terroir, geht auch der Einsatz von Holz einher. Oft waren die Weine des Ribera bei den Kritikern – nicht bei den Konsumenten – überholt, der Holzeinsatz und die damit einhergehenden Aromen von Vanille, Rauch oder Kokos waren also zu intensiv. Im Gespräch mit den Winzern wird klar, dass das Holz an Stellenwert verloren, das Terroir und die Individualität der Weine gewonnen hat. Der übertriebene Einsatz von Holz, ob es französische oder amerikanische Eiche ist, schminkt den Wein und stellt ihn selbst in den Hintergrund. Im Ribera, mit seinen verschiedenen Bodentypen und Mikroklimata eine wirklich wichtige und dringend notwendige Erkenntnis.  

BJRLeBouquet

Björn Bittner ist der Gründer von BJR Le Bouquet. Im Magazin beschäftigt er sich mit den Themen Premium-Kulinarik, Luxus und Lifestyle. Bon Vivant!

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Tags: Spanien

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