Vorgestellt hatte ich mir das Weingut Ornellaia anders. Wenn ich vor meinem Besuch an die Tenuta dell’ Ornellaia dachte, im besten Fall mit einem der Weine des Hauses vor mir im Glas, hatte ich etwas pompöses im Kopf. Im Chateau-Stil. Vielleicht aufgrund der Zusammensetzung der Weine? Aber egal, was für ein mythischer Ort.
Bereits letztes Jahr wollte ich unbedingt in die Toskana, konnte es jedoch nicht realisieren. Dieses Jahr sollte es nun klappen. Dafür bastelten wir uns einen kleinen Fahrplan, gespickt mit besonderen Weingütern, quer durch die Toskana.
Die erste Station der Reise war Ornellaia. Bei soliden 34° Grad und einem traumhaft schönen Landschaftsbild mit sattem Grün und saftigen Beeren, die kurz vor der Lese stehen. Sarah hatte einen Termin vereinbart – Danke!
Mit Respekt und Ehrfurcht klingelte ich sieben Minuten vor unserem Termin bei „Visitors“. Ob du wirklich richtig stehst, merkst du, wenn das Tor aufgeht.
Der dahinterliegende Kiesweg führt zu zwei größeren Carports, die unweit von einem flachen Bau liegen. Dort gab es erstmal eine Flasche Wasser und ein kurzes Intro an der Landkarte, die Aufschluss über die gepflanzten Rebsorten gab.
Alles ist sehr unaufgeregt hell eingerichtet und schon fast auffallend schlicht. Vielleicht war es auch die Erwartungshaltung, bei einem solchen Namen von internationalem Höchstniveau, dass man hier klotzen würde und auch muss. Müssen sie aber offensichtlich nicht.
Im Kern des riesigen Anwesens liegt ein wie in den Boden eingelassener flacher Bau, der sich an die vorherigen Eindrücke anreiht. Stilvoll und gepflegt, mit einem Hang zur Kunst.
Antinori ist der Name. Ein Name, der jedem weinaffinen Menschen schon untergekommen ist. 1980 ging die Reise los, ausgelöst vom Landkauf von Lodovico Antinori, der sicher Großes vorhatte. In besonderer Lage im Bolgheri und in bester Gesell- und Nachbarschaft, wurden 1982 die ersten Reben gepflanzt. Heute ist man bei guten 100ha Reben angekommen, die zum größten Teil mit den französischen Rebsorten Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot bestückt sind. Nicht ohne Grund, wie man heute weiß. Angefangen wurde mit dem Flagship, dem Ornellaia, der in weniger als 20 Jahren jede Menge Lorbeeren einsammeln durfte – auch 1998 die des besten Rotweins der Welt vom Wine Spectator. Erst später vergrößerte man das Sortiment um Le Volte und Le Serre Nuove.
Heute ist das Weingut im Besitz der Familie Frescobaldi, die ein Imperium namhafter Brands aufgebaut hat und weltweite Größen wie Masseto oder Luce ihr Eigentum nennen kann. Bevor die Frescobaldis das Weingut 2005 in Gänze erwarben, hielten der Kalifornier Robert Mondavi und Constellation Brands bis zu 50% des Unternehmens. Auch hat Ornellaia eine besondere Verbindung zu Deutschland, in Person von Axel Heinz, der heute der Önologe und Weinmacher ist. Beraten wird er von Michel Rolland, der seit Gründung der Tenuta dell’ Ornellaia in engem Austausch mit Ornellaia steht.
Zurück vor Ort. Dass der Fokus hier im Hoheitsgebiet auf Rotwein liegt, ist klar. Und sicher nicht verwunderlich ist das Streben nach Perfektion im gesamten Prozess der Weinbereitung. Keine Schnellschüsse, alles wird akribisch geplant und nichts dem Zufall überlassen. Nur so kann man dem eigenen und fremden Anspruch an die Weine von Ornellaia gerecht werden.
Boden und Klima sind hier ein wahrer Segen für die Beeren und erlauben höchste Qualität. Maritimer Einfluss mit kühlenden Brisen in den warmen Sommermonaten, der Schutz der Berge im Winter und eine Kombination verschiedener Bodentypen bieten den Winzern eine Basis, die man sich andernorts sicher wünscht. Alle Trauben werden handgelesen und unterliegen einer zweifachen Selektion, Rebsorten und Parzellen werden differenziert ausgebaut. So reifen die Basisweine zunächst im kleinen Eichenholzfass, bevor sie nach dem „GO“ des Teams zusammengestellt werden. Immer mit Hinblick auf eine Ausgewogenheit zwischen der hauseigenen Philosophie und der Charakteristik des jeweiligen Jahrgangs.
Ja, was ist Ornellaia. Ein Weingut mit imposantem Namen und Reputation und noch recht kurzer Geschichte. Hier werden Weine auf die Flasche gebracht, die Jahr für Jahr hoch bepunktet werden, auf Bestenlisten einen Dauersitz gebucht haben, kostenintensiv sind, wie die Zwillinge aus Frankreich enormes Reifepotenzial haben und die Sonne Italiens in sich tragen. Und diese Sonne spürt man tatsächlich. Eine angenehme Wärme, Reife, Üppigkeit besitzen sie, ohne dabei ihre Eleganz zu verlieren.
Für die einen sind es Ikonen, die in der 6er OHK für Jahre in den Kellern verschwinden –zugegebenermaßen fand ich 2014 und 2015 nach Release sehr gut zu trinken – für andere sind es geeichte Weine, die Parker, Suckling und Co. anmachen und für die entsprechenden Bewertungen sorgen sollen. Zum Glück entscheidet das jeder für sich.
Ich bin ein großer Fan der Weine dieses Hauses. Durch die Bank. Vom richtungsweisenden Le Volte, dem sich scheinbar immer im richtigen Trinkfenster befindlichen Le Serre Nuove und natürlich dem großen Ornellaia.
Als ich im Weingut auf dem kleinen Hügel an Parkplatz 2 – direkt am Kopfe des Eingangs zur Winery – stand, empfand ich es als einen besonderen, einzigartigen Ort. Ein Riese, der in einem Meer von Grüntönen schlummert. Totale Stille und Idylle.
Wie bereits eingangs erwähnt, errang das Weingut Ornellaia, gemeinsam mit dem Weingut Masseto, das sich ebenfalls auf dem Grundstück von Ornellaia befindet, seinen Ruf von Weltformat durch die Rotweine. Und diese Roten werden jedes Jahr aufs Neue mit absoluten Bestnoten der Kritiker ausgestattet. Selbst in eher schwierigen Jahrgängen, holt man alles Mögliche aus den Beeren heraus und steht trotzdem mit in der ersten Reihe. Sehr spannend, wie ich finde, denn in großen Jahren etwas Großes auf die Flasche zu bringen ist das eine, schwierige Jahre zu meistern das andere.
Das Portfolio von Ornellaia umfasst heute fünf Weine, davon sind drei rot. Angefangen beim Poggio alle Gazze, einem Blend aus Sauvignon Blanc, Vermentino und Viognier, bei dem der Sauvignon Blanc klar dominiert. Ein Wein, der von seiner reifen Frucht, spielender Säure und seinem italienischen Touch lebt und sehr beliebt ist. Dominanz der Sauvignon Blanc-Frucht, Blüten und Honig fallen mir sofort ein, wenn ich an das Geschmacksbild des Poggio alle Gazze denke.
Le Volte ist der erste Rote in der Kollektion und kommt als Blend aus Merlot, Sangiovese und Cabernet Sauvignon daher. Le Volte ist ein Frühstarter und ist dank seines Ausbaus im Stahltank und etwas Zeit im Barrique früh zugänglich und somit der perfekte Zeitvertreib, um auf das richtige Trinkfenster für Le Serre Nuove zu warten. Le Volte lebt von seiner Frische, der Harmonie und Aromen der Rebsorten und seiner animierenden Säure.
Der Le Serre Nuove ist der Zweitwein des Hauses und wird als klassischer Bordeaux-Blend aus Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Petit Verdot vinifiziert. Von jungen Rebanlagen werden die Trauben handgelesen, mehrfach selektiert und sowohl die Rebsorten als auch die Parzellen separat vinifiziert. Le Serre Nuove bringt als kleiner Bruder vom großen Ornellaia Kraft und Eleganz mit sich. Er steht dicht im Glas und macht nach meiner Erfahrung bereits nach vier bis fünf Jahren Spaß auch wenn er sich konsequent weiterentwickelt. Hier hat man die Toskana im Glas. Reife Frucht, Gewürze, die Sonne Bolgheris – ein zeitloser Tropfen.
Bevor es zum Flagship geht, wird es tatsächlich nochmal weiß. Mit dem Ornellaia Bianco bringt Ornellaia einen Weißwein der besonders raren Sorte auf die Flasche. 100% Sauvignon Blanc haben wir im Ornellaia Bianco. Die Nase ist dominiert von Frucht und Hefenoten. Am Gaumen ist er nicht crispy und schlank, eher saftig, üppig und kraftvoll. Geladen und entsichert. Enorme Dichte, Tiefe und Länge machen den Bianco, den ich leider auch erst einige wenige Mal am Gaumen hatte, zu einem Highlight, das man definitiv zu selten ins Glas bekommt. Aber dafür ist er einfach zu rar. Ob im Handel oder auf der Weinkarte, lucky fishing!
Und nun Vorhang auf, für den Wein der dieses Weingut in so kurzer Zeit zu einem Global Player gemacht hat. Der Ornellaia.
Der Begriff „Super Tuscans“ ist wohl jedem Weininteressierten schon untergekommen, und so haben wir es mit dem Ornellaia mit einem DER Super Toskaner zu tun.
Nicht nur die Rebsortenzusammensetzung aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot erinnert an Bordeaux, auch seine Qualität und Lagerfähigkeit. Dabei ist der Ornellaia völlig selbstständig und braucht sich hinter keinem internationalen Bordeaux Blend zu verstecken. Natürlich wandern nur die besten Trauben in perfektem Zustand, nach Handlese und sehr kleinteiliger Vinifikation in das Aushängeschild. Im Ornellaia treffen sich eine riesige Bandbreite von Aromen. Von der reifen roten Frucht über Tabak und ätherische Noten bis hin zu seinem italienischen, balsamischen Touch. Die Weine sind ausbalanciert, tiefgreifend und ihre Struktur steht in Jahren wie 2015 wie das Chassis eines 911ers. Enorme Ausdrucksstärke gepaart mit Eleganz und Potenzial für viele, viele Jahre. Ornellaia macht direkt nach Release – in der Fruchtphase – viel Spaß, macht wie viele Große dann zu und legt sich nochmals hin. Mit mehr Reife und Jahren auf der Flasche wächst er heran.
Ornellaia trinken ist immer und immer wieder ein Erlebnis. Und mit der Meinung bin ich sicher nicht alleine.
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