Berichte

MRAZ & SOHN (2 Michelin Sterne), Wien

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„Der Mexikaner von gegenüber kocht das alles!“, das war die Antwort von Manuel Mraz auf meine Aussage, dass mir jede Menge wissender Menschen wie Julien Walther (Trois Etoiles), Willi Schlögl (Freundschaft, Berlin) und die Klaas Brothers (Geisels Werneckhof), das Mraz & Sohn im Vorfeld als super spannende, must-visit Location für meinen Wien-Besuch empfohlen haben. Die Vorschusslorbeeren waren groß und saftig, meine Erwartungshaltung dennoch recht neutral. Wieso? Die Website, sowie auch die Beschreibung des Menüs gibt sich äußerst minimalistisch und reduziert. Wer mich kennt weiß, dass ich mehr auf pompös mit vielen Komponenten stehe. „Wenn der gut kocht, lass’ den Mexikaner schicken“, war meine Antwort.

Humor hatten die Jungs also schon mal, aber es blieb die Frage: Hält der Ruf und die Familie Mraz das was mir so viele versprochen haben?!

Die Location ist äußerst entspannt, wie auch das Team, und ist in verschiedene Bereiche eingeteilt. So steht im Eingangsbereich ein großer, hoher Tisch a lá Chefstable, die weiteren Bereiche sind normal niedrig bestuhlt. Dass an diesem Mittwoch alle Plätze vergeben sind, an Einheimische, Chinesen, Amis und uns ist ein gutes Zeichen. Was auffällt ist die Lockerheit des Hauses. Eine Gewürzgurke und ein Fleischkasbrötchen zieren als 3D-Nachbildungen die Wand, wie auch ein einfacher Korb mit Kräutern auf der Fensterbank. Das alles ist weit weg von vielen zwei Sternen, die ich besucht habe. Übrigens auch von vielen Ein-Sternern. Ob das hier wen interessiert, dass andere Restaurants in diesem Segment anders auftreten? Nein. Im Gegenteil.

Wo in der Regel zumindest alle Grundbestandteile des Gangs in den Menüs gelistet werden, gibt es hier erst gar kein Menü.

Das ist dir jedoch spätestens dann egal, wenn Manuel Mraz mit seinem – ich nenne es mal den „Präsentierteller“ – am Tisch ankommt. Auf Eis gebettet präsentiert er die einzelnen Produkte des Menüs mit deren Herkunft und der ein oder anderen Zubereitungsvariante. Nur der blaue Hummer bleibt in der Küche.

Übrigens: Bekannt war mir diese Form der Präsentation, der zu verarbeitenden Produkte, von meinem Namensvetter aus Skandinavien – Björn Frantzen. Manuel darauf angesprochen gibt es die Information: „Wir waren früher da mit dieser Idee. Im Endeffekt ist es egal, aber wir hatten das zuerst so.“ Einfach saustark und ein Weg, die Vorfreude auf das Menü noch weiter, schier ins Unermessliche zu steigern.

Das wäre der Punkt an dem der von mir sehr geschätzte Julien Walther mit seiner akribischen Ausarbeitung beginnt und die einzelnen Gänge auf ihr Taugen prüft. Da

das wohl keiner so kompetent und von unendlich großer Expertise untermauert niederschreiben kann, halte ich es recht simpel und schreibe was ich denke und gedacht habe, als ich die Gänge vor mir hatte.

Nach einem interessanten und durchaus intensiven Fingerfood-Salat von Michael Häupl mit Haselnussdipp ging es ans Brot. Einmal glutenfrei, außerordentlich gut und sicher eines der Top 3 glutenfreien Brote die ich je gegessen habe, und Pide mit Käse und Lado – ohja. Darüber gestreut junge Tannennadeln, die das Team morgens sammeln geht. Eigentlich schon ein Starter in Sachen Fülle, aber dennoch so gut, dass man sich eigentlich zwischen jedem Gang ein Häppchen einflößen möchte.

Hinter „Makrele & Rhabarber“ verbirgt sich ein herrlich leichtes, subtil pikantes Gericht in angenehmer Portionsgröße. Super Qualität, unaufgeregt aber erfrischend.

Auster vom Blatt“ – ja mei. Den Gang hatte ich im Vorfeld auf Instagram gesehen und mir im Zuge dessen die Frage gestellt, ob ich da Spaß dran haben werde. 3,4,5 Blätter, eine Auster mit Emulsion, das ganze im Lasagne-Stil gechichtet. Im Endeffekt hat man mich ja schon bei „Auster“ und so finde ich hier ein absolut fanstastisches Setup. Wieder sehr frisch, vielseitig kräutrige Nuancen vom „Blatt“ und die richtige Dosis Auster um es im Gleichgewicht zu halten. Killer!

Es folgt ein Duett vom Hummer. Von dem blauen Hummer, der zur Vorstellung beim Gast in der Küche bleiben musste. Zunächst in süß-scharfer Kombination im tiefen Teller präsentiert. Die ganz feine Chili-Schärfe, der geschmacksintensive Hummer und das Beiwerk von Estragon, Kräutern und Erdbeeren ergeben eine schlichtweg unglaubliche Symbiose. Perfekter Gange?! Wenn nicht, dann zumindest sehr nah dran. „Alter, das ist absolut brillant!“ – „Ich sag ja, der Mexikaner ist gut“. Irgendwelche Fragen zum Feeling, zum Wohlfühlfaktor, zur Stimmung? Gut.

Kurz versetzt nach dem servieren von Teil 1 folgt der zweite Teil des Hummers in Form einer Reisrolle. Weniger Geschmacksexplosion als in Teil 1 – wenig verwunderlich – dennoch eine sehr runde Ergänzung und weitere Facette.

Ich würde mich nicht als den größten Spargel-Fan betiteln. Richtig guten Spargel gibt es natürlich, und der schmeckt dann auch. Ab und zu geht das, wirklich brauchen tue ich es nicht. Hier wird der recht kleine, dünne Habanerospargel gegrillt, kommt mit leichtem Sonnenbrand und entsprechender Aromatik an den Tisch, dazu die klassische Hollandaise. Gehört mit zwei Spargelgerichten von Joachim Wissler und Hans Stefan Steinheuer zu den drei besten Spargeldishes ever, groß.

Ein weiteres Duett bahnt sich an. Diesmal vom Lamm. Einmal recht einfach, doch nicht minder aromatisch mit grünem Gemüse, auf den Punkt gegart. Zum anderen eine Form Pulled Lamb im Mohn-Bun. Präsentiert im uns allen bekannten Döner Kebab-Papier in rot-weiß – Maibockdöner eben. Anlehnung an die Landesfarben oder einfach aus Spaß an der Freud? Oder beides? Egal. Astreine Präsentation, wie sie sich durch den Abend zieht, stimmig mit dem Team und dem gesamten Auftritt des Hauses. Herrlich entspannt, sich selbst nicht zu ernst nehmend, mit Hang zu geilem Essen. I like!

Das war es vom Warmen. Ich bin schon gut gesättigt, nicht voll, genau so, dass noch etwas Käse vom Käsewagen geht. Dieser hat hier die Form eines hochkantigen Regals auf Rollen und raste bereits dann und wann am Tisch vorbei, um andere Gäste zu versorgen. Die Auswahl überlasse ich selbstverständlich dem Hausherren, der die eigentliche Auswahl ein wenig ausweitet, um mir einige seiner Lieblingssorten zu präsentieren. Dazu wird gleich in ganzes Buffet an Optionen gereicht: Verschiedene Brote, hausgeröstete Mandeln, Chutneys und – sehr cool, weil Fan – zwei kleine Radieschen. „Zum Erfrischen“.

Die ausdrücklich als kleine Portion bestellte Alternative zum Käsewagen ist Stracciatella-Eis. Hier wird eine Kugel in Schneeballmanier an in die Innenseite eines tiefen Tellers „geknallt“ und mit Schokosauce übergossen. Sieht big time aus, schmeckt auch so.

Vorletzter Gaumenschmaus ist die „ALMWIESE 2050“. Hier wird eine kleine Portion Crème Brûlée – genau die richtige Größe zu diesem Zeitpunkt des Menüs – auf getrocknetem Gras gebettet serviert. Dieses Gras ist gespickt mit einigen aus Papier angefertigten Emojis, Kippenstummeln, leeren Cola-Dosen und sonstigem Abfall. Die Crème Brûlée ist übrigens super.

Das kleine, aber wohl überlegte Finale ist eine rekonstruierte, im original Pappkarton servierte „Schokobanane von Mrazali“. Nicht zu süß, konzentriert, frisch und schlicht und einfach super lecker. Wer mag, darf sich eine „ursprüngliche“ Schokobanane zur Gegenverkostung stibitzen. Ich lehne dankend ab, ich möchte mit diesem frisch-fruchtigen Geschmack im Mund schließen.

Ja, das war es. Ohne Chi-Chi, ohne 47 Komponenten. Dafür von wenigen Komponenten sehr viel. Neben dem was auf den Tellern vorm Gast landete besonders viel Herzlichkeit, Liebe für den Job, Leidenschaft die aus allen Poren dringt und Zufriedenheit mit dem eigenen Schaffen.

Abschließend noch ein paar Worte zur Weinkarte: Ins Glas gab es für uns an diesem Abend einen frischen, enorm mineralischen Furmint Vogelsang von Michael Wenzel aus Rust. Knaller Zeug, fair kalkuliert. Zwischendurch hilft ein Felseneck Kabinett von Schäfer-Fröhlich Abhilfe gegen den Durst, bis schließlich der 2013er ErdeLuftGrasundReben Blaufränkisch von Claus Preisinger das Glas benetzt. Immer wieder großartig. Die beiden Österreicher waren sehr passende Empfehlungen vom Sommelier, die von ihm erstellte Weinkarte ist breit aufgestellt, wirklich fair kalkuliert und hat für jeden den passenden Tropfen parat. Sowohl blättern, als auch fragen hilft und macht Spaß!

Der Abend war ein Feuerwerk an Reizen. Ob auf dem Teller oder abseits davon. Das Mraz & Sohn ist eine Wohlfühloase wie es sie nur selten gibt, weil es ein außergewöhnliches Gesamtpaket bietet. Eine Show.


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Björn Bittner ist der Gründer von BJR Le Bouquet. Im Magazin beschäftigt er sich mit den Themen Premium-Kulinarik, Luxus und Lifestyle. Bon Vivant!

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