English Version HERE!
Cuisles ist ein kleines Dorf. Und wenn ich hier klein schreibe, meine ich klein. Sehr klein. Cuisles ist eine Gemeinde in der Champagne mit rund 150 Seelen. Der perfekte Ort für einen Krimi mit limitierter Anzahl potentieller Täter. Tatsächlich hat man sich in dem kleinen, 30km südwestlich von Reims liegenden Dorf auf die Pflege von Reben spezialisiert.
Zum ersten Mal hat es mich im Jahr 2017 nach Cuisles, ins Marne-Tal verschlagen. Auf Empfehlung von Dominik Betschart – danke dafür! Auf Nachfrage, welches Champagner Weingut ich mir unbedingt noch anschauen sollte, empfahl er mir einen Winzer aus dem kleinen beschaulichen Ort. Also machte ich mich im Anschluss an meinen Besuch bei Champagne Taittinger auf den Weg.
Auf den Weg zu Cedric, vom Vigneron Moussé Fils.
Seitdem war ich mehrfach vor Ort, durfte seine enorme Gastfreundschaft genießen und seine feinen Champagner verkosten. Die letzten Male in der „alten“Vinothek, die gerade neu gestaltet wird.
Familienbetrieb durch und durch!
Cedric ist Champagnerwinzer der vierten Generation und hält heute die Zügel in den Händen, wenn es um das Lenken des Weinguts geht. 1923 wurde es von Eugene Moussé gegründet, wobei man dazu sagen muss, dass in diesem Jahr das eigentliche Champagner Weingut gegründet wurde.
Stillwein produzierte die Familie, deren Historie bis 1650 zurückreicht, bereits lange Zeit vorher. 1923 fokussierte man sich dann aber schließlich auf die Königin der Schaumweine.
Warum? Ursprünglich bewirtschaftete die Familie ihre Rebflächen um Cuisles und verkaufte die Trauben an die großen Häuser. Mit einer Vision und dem Willen etwas Eigenes zu schaffen ausgestattet, änderten sich die Eugene’schen Pläne. So kam es also, dass 1923 die erste hauseigene und selbst abgefüllte Flasche Champagner im Hause Moussé Fils das Licht der Welt erblickte. Heute dankt man Eugene diesen Schritt, der mutig, voll von Risiko, aber ein wichtiger war. Cedric füllt deshalb jedes Jahr den „L’Or D’Eugene“ auf die Flasche, das „Gold von Eugene“. Eine Hommage an den Gründer des Hauses. Das „Gold von Eugene“ stellt darüber hinaus das Aushängeschild des Hauses dar, da es den Stil, die Philosophie und das Terroir der Champagner von Moussé besonders widerspiegelt.
Schwer getroffen.
Leider blieben auch die Moussés nicht von den Gräueltaten der Nazis verschont. Die Champagne war in der Zeit des zweiten Weltkriegs eine der am härtesten getroffenen Regionen Frankreichs. In vielen Häusern ist die „Bibliothek“ mit älteren Jahrgängen nur bis 1943 zurückzuverfolgen, da die vorher produzierten Jahrgänge oftmals geplündert und anschließend an die Machthaber als Statussymbol und an die Front als Durchhalte-Eroberungs-Präsent versendet wurden.
So kam es tragischerweise in Folge der Belagerung der Champagne zur Deportation von Eugene in ein Konzentrationslager, aus dem er leider nicht zurückkehrte. Eugenes Frau Suzanne, die ebenfalls im KZ gefangen gehalten wurde, aber 1943 nach Hause kam, führte den Betrieb für einige Jahre weiter, bis Cedrics Großvater Edmond das Ruder übernahm und in Sachen Produktion und Qualität neue Maßstabe setzte.
Bienvenue, Cedric!
Im heißen Jahr 2003 stieg Cedric in den Betrieb ein, um seinen Vater Jean-Marc zu unterstützen, der seit 1976 den fermentierten Traubensaft auf die Flasche brachte. Von seinem Vater Jean-Marc bekam er das Verständnis für die Verbundenheit mit der Natur, dem Terroir, der Rebe gewissermaßen eingeimpft. Dieses Vermächtnis seines Vaters hält er hoch und setzt alles daran, es weiterzuführen.
So wie Jean-Marc es seinem Sohn Cedric mit auf den Weg gegeben und ihm beigebracht hat, ist der Betrieb der Moussés sehr naturverbunden und so arbeitet Cedric Hand in Hand mit dem von der Natur gegebenen.
Hand in Hand mit der Natur
Das beginnt mit der bio-dynamischen Bewirtschaftung seiner Rebflächen und wird im Stil seiner Weine fortgeführt. Genannte Rebflächen sind übrigens auf vier Gemeinden aufgeteilt, aber dennoch an einem einzigen Hügel gelegen. Die Weine spiegeln die Reben und das Terroir in Cuisles wieder, kommen sehr puristisch und klar daher. Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt eine zentrale Rolle. Bereits während meines ersten Besuchs zeigte mir Cedric verschiedene „Rohlinge“ seiner Flaschen, ungefüllt und neu. Warum? Er verwendet nicht die handelsübliche Flasche, sondern setzt auf eine leichtere Flasche. So kann während des Transports seines Champagners CO2 reduziert werden. Eine sehr innovative, gute Idee die natürlich erst dann voll in Schwung kommt, wenn viele Produzenten mitziehen.
Dass sich Themen wie Kühlung, Bewässerung, Licht und Energie komplett auf natürliche Ressourcen stützen, muss da eigentlich nicht mehr erwähnt werden.
Moussé Fils – und die Weine?
In der Champagne sind drei Subregionen prädestiniert für unterschiedliche Rebsorten. So gedeiht der Pinot Noir in der Montagne de Reims am besten, der weiße Chardonnay in der Côte de Blancs. Cuisles liegt im Vallée de la Marne. Im Marne-Tal ist die „dritte“, oft für am unbedeutendsten gehaltene Rebsorte zuhause – Meunier. Die dunkle Traube bedeckt in der Champagne sogar mehr Rebfläche als Chardonnay. Sie wird oft als reinsortiger Champagner auf die Flasche gebracht oder als Cuveé mit Pinot Noir.
Cedric, der seine Reben im Marne-Tal, dem Vallée de la Marne stehen hat, hat sich somit voll und ganz dem Meunier hingegeben. Übrigens: Meunier gibt es auch bei uns in Deutschland, und zwar unter dem Namen Schwarzriesling.
In den letzten 1,5 Jahren durfte ich den Meunier immer besser kennen und auch schätzen lernen. Wie beschrieben, gilt die dunkle Traube als die qualitativ minderwertigste. Unterschreiben würde ich das aber nicht, bringen eine Reihe Winzer doch großartige Champagner auf die Flasche. Als ein Hauptgrund für die Kritik an der Traube gilt ihr Reifepotenzial, das im Vergleich mit Pinot Noir und auch Chardonnay klar schlechter sein soll. Im Austausch mit Winzern konnte ich dieses Statement nicht als generell korrekt verifizieren. Klar ist, die Weine vom Meunier sind früh zugänglich und leben von ihrer Frische und Frucht. Doch ich durfte auch schon 100% Meuniers verkosten, die 20 Jahre auf dem Buckel hatten und noch gut im Glas standen.
Von Cedric und Moussé Fils kenne ich die Weine der letzten 2, 3 Jahre recht gut und bin von Tasting zu Tasting mehr überzeugt von dem was er macht. Und das ist ganz unabhängig davon, dass Cedric ein super smarter, charmanter und sympathischer Kerl ist, dem man genau das abkauft, was er vertritt.
Die Champagner von Moussé Fils sind klar, präzise und glänzen ohne viel Schnick Schnack und Chi-Chi. Genau so, wie auch Cedric drauf ist und rüberkommt. Echt und authentisch. So naturverbunden und auf das Wesentliche reduziert kommen auch die Champagner daher und werden in der Regel mit der geringst möglichen und nötigen Dosage ausgestattet.
Mir persönlich gefallen die Weine mit der geringsten Dosage am besten. Kein Wunder, zeigen diese die Handschrift des Winzers und den Fingerabdruck der Traube.
Klarheit und Finesse
Und diese klare Linie verfolgt er durch die gesamte Kollektion. Den Einstieg markiert L’Or D’Eugene und zeigt sofort die Richtung auf. Dieser pendelt sich mit 6g/L auf Brut ein und ist der Einstieg in die Welt der Weine von Moussé Fils. Überzeugt vom „Gold von Eugene“ packte ich während meines letzten Besuchs in der Champagne eine Kiste ein und präsentierte den Champagner beim Schaumweinspecial zu SOMM vs. BLOGGER im Steigenberger Grandhotel Petersberg. Wie er ankam? Einer der klaren Sieger des Abends, einige Bestellungen im Anschluss inklusive.
Mit dem Anecdote, 100% Chardonnay der Einzellage Les Varosses zeigt Cedric, dass er auch Blanc de Blanc kann – Hefe, Brioche, knackiger Apfel und viel Spannung. Intensiv und kraftvoll, aber niemals overdone.
Einer meiner Favoriten ist der Les Vignes de mon village – „die Lages meines Dorfes“. Wie es der Name verheißen lässt, entstammen die Trauben dieses Champagners komplett aus den Weinbergen in Cuisles, 100% Pinot Meunier. Und: Keine Dosage, also Brut Nature. Und so pur ist er auch. Viel Frucht, reife Frucht und das besondere Terroir Cuisles’ herausgearbeitet. Vier verschiedenen Bodentypen, darunter auch der einzigartige Grüne Lehm – der Champagner Terre d’Illite ist nach ihm benannt – zaubern einen eindrucksstarken Champagner auf die Flasche. Reizendes Frucht-Säure-Spiel, etwas Kalk und eine animierende Frische.
Special Club im Club Trésors
Die beiden Special Clubs – als Mitglied im Club Tresors de Champagne Pflichtprogramm – als Blanc und Rosé markieren die Spitze der Kollektion. Mit rund 60 Monaten auf der Hefe zeigt sich der Blanc mit Tarte, etwas Butter und reifer Steinfrucht, am Gaumen viel Spannung und Kraft, dabei elegant und voller Finesse.
Der Rosé, 100% Meunier mit nur 2g/L Dosage ist ganz besonders. Das geht bei der enorm satten, dichten Farbe los und setzt sich in der Nase und am Gaumen fort. Viele Ebenen, Hefe und Frucht, sowohl rote Beeren als auch Steinfrucht, Präzision und enormer Druck. Feine Frucht und eine sehr angenehme Säure treffen sich auf der Zunge, etwas Salz ist auch zu schmecken. Das Ganze legt sich mit Autorität um den Gaumen und imponiert. Sehr langes, konzentriertes Finish – toller Stoff.
Comments are closed.