Wenn sich die nach mehrmaligem Klingeln schließlich doch die Pforten öffnen und man den Schotterweg Richtung Herzstück der Anlage entlangfährt, ist man angekommen – auf Ornellaia. Der Besuch auf Ornellaia im Sommer 2018 war zum einen überraschend, zum anderen sehr spannend. Wer möchte nicht mal eins der Weingüter besuchen, wo eine internationale Ikone vinifiziert wird?
Mein erster Kontakt mit dem Weingut war 2017. Im Lido Malkasten in Düsseldorf durfte ich einer Vertikalverkostung des kleinen Bruders des Ornellaia, dem Le Serre Nuove Dell’Ornellaia beiwohnen. Und um eben diesen Le Serre Nuove geht es hier und heute auch. 

Die Zweitweine sind ein besonders wichtiges Produkt der Weingüter, werden von diesen Weinen in der Regel größere Mengen produziert und entsprechend auch mehr Umsatz generiert. Darüber hinaus ist die Qualität der “kleineren Weine” eines Hauses oft Indikator für die allgemeine Qualität der Weine.

Der Le Serre Nuove wird bereits seit 1997 vinifiziert und feiert mit dem Erscheinen des 2017 Jahrgangs 20 jähriges Jubiläum. Um diese Jubiläum gebührend zu feiern, tourt das Team von Ornellaia und Le Serre Nuove um Head Winemaker Axel Heinz durch Europa um den Spirit von Le Serre Nuove zu präsentieren. Um die Weine zu zeigen, zu zeigen, dass auch der kleine Bruder des Ornellaia wunderbar reifen kann und in keinem Keller und auf keiner Weinkarte fehlen darf. 

Mit dem Hamburger Luxushotel Fontenay hat man sich eine angemessene Lokation für das Tasting ausgesucht, in dem ein Querschnitt aus 10 Jahren Le Serre Nuove verkostet und die Weine anschließend bei 4-Gängen nachverkostet werden können. 

Mit einer recht kleinen Truppe deutschsprachiger Journalisten geht es also ans Glas. Die Verkostung: 

Le Serre Nuove 2017

54% Merlot / 26% Cabernet Sauvignon / 14% Cabernet Franc / 6% Petit Verdot

Der letzte und 20. Jahrgang des ersten Zweitweins der Toskana ist 2017. Ein schwieriges Jahr. Es war sensationell warm, weshalb der Jahrgang als einer der heißesten Jahre aller Zeiten in die Bücher eingehen wird. Bei besonders großer Hitze und entsprechend früh reifen Beeren hilft nur eins: sehr früh lesen. Glücklicherweise waren die Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht recht groß, weshalb der Wein trotz aller Hitze gut ausbalanciert ist. Keine gekochten Früchte! Gesonnte, reife Frucht, saftige Kirsche, Brombeere und Himbeere, Cassis und Zigarrenkiste. Am Gaumen mit guter Säurestruktur und ebenfalls nicht überladen.

Le Serre Nuove 2015

64% Merlot / 17% Cabernet Sauvignon / 10% Cabernet Franc / 9% Petit Verdot

Ein oder vielleicht das Paradejahr – 2015. Nicht nur von Kritikern höchstgelobt, sondern auch vom Winzer und Weintrinker. Die Vegetationsperiode verlief nahezu tadellos mit pünktlichem Austrieb Anfang April, idealen Bedingungen bis zur Blüte Ende Mai. Eine heiße, regenlose Periode forderte die Reben bis zum eintretenden Niederschlag im August und top Bedingungen bis zur Lese mit optimal gereiften Trauben. Vielerorts war es kurz vor der Lese zu unbeschwert, was einige Winzer dazu verleitet hat, vielleicht doch schon zu lesen, statt noch etwas zu warten. Auf Ornellaia machte man einige Lesestops und ließ sich Zeit. Vinifiziert mit einem recht hohen Anteil des Merlot, präsentiert sich der 2015er Le Serre Nuove mit viel Sauerkirsche, Erdbeere, Himbeere und Brombeere, feiner Kräuterwürze und Rauch. Am Gaumen mit super Säurestruktur, schmeichelnd weich und seidig mit gut integriertem Holz – ein Texturwein!

Ein Jahrgang mit einer Symbiose aus Zugänglichkeit und Komplexität, der jetzt wunderbar zu genießen ist, sich mit mehr Zeit auf der Flasche noch stark weiterentwickeln wird. Großes Kino!

Le Serre Nuove 2014

50% Merlot / 34% Cabernet Sauvignon / 9% Cabernet Franc / 7% Petit Verdot

Ein sehr schwieriges, anspruchsvolles Jahr für das Team. Über das Jahr war soweit alles im grünen, milden Bereich, bis in der relevanten Zeit im August eine ausgesprochen kühle, regnerische Periode einsetzte, womit sich die Trauben schwer taten. Mit viel Arbeit im Weinberg konnte man Krankheiten und Verluste abwenden und somit eine Ausreifung der Trauben im September und Oktober gewährleisten. Der 2014er ist jetzt schon sehr zugänglich – was ich bei diversen 2014er Toskanern beobachtet habe. Weniger Dichte, Konzentration und Extrakt sowohl in der Nase als auch am Gaumen. Ein leichterer und einfacherer Jahrgang vom Le Serre Nuove, der dennoch mit ordentlicher Struktur und Länge dasteht und sich jetzt sehr angenehm und unkompliziert genießen lässt.

Le Serre Nuove 2013

36% Cabernet Sauvignon / 32% Merlot / 20% Cabernet Franc / 12% Petit Verdot

Auffallend wenig Merlot findet sich 2013 im Le Serre Nuove wieder, was auf einen schwierigen Jahrgang schließen lässt. Und so war es. Später Austrieb, viel Kälte und Regen verlängerten die Blütezeit. Der Sommer wiederum war trocken, sonnig mit einigen enormen Hitzespitzen im Juli und Anfang August. Dazu kamen extreme Temperaturschwankungen bei Nacht mit bis zu -20°C im August. Ein insgesamt recht warmes Jahr, das dennoch einen Wein kühler Stilistik hervorgebracht hat. Besonders die kühlere Stilistik, die Kräutrigkeit, die grasige Würzigkeit, die vom relativ hohen Anteil des Cabernet Sauvignon und auch Cabernet Franc herrührt, fallen auf. Insgesamt noch nicht ganz rund und harmonisch, noch etwas kantig und spröde – einige Jahre im Keller werden ihm gut tun.

Le Serre Nuove 2010

45% Merlot / 41% Cabernet Sauvignon / 9% Petit Verdot / 5% Cabernet Franc

Ein Spätstarter und der erste Jahrgang dieser Verkostung, der im perfekten Trinkfenster des Le Serre Nuove Dell’Ornellaia angelangt ist. Der komplette Vegetationszyklus verschob sich 2010 um einige Tage, der zunächst regnerisch, im wichtigen Abschnitt jedoch ausreichend Sonne abbekam. Regen im September forderte die Mannschaft um Axel Heinz und trieb sie zum Entlauben raus in die Weinberge, die zur finalen, guten Traubenqualität erheblich beisteuerte. Mit einigen Jahren Reife auf der Flasche zeigt sich der Wein nun mit einer schönen Trinkreife, sehr guter Struktur und Festigkeit. Frucht von Kirsche, feiner Eukalyptus, Würze und beginnender Einsatz tertiärer Aromatik: unbenutztes Leder, Erde und balsamische Noten. Das kann man jetzt wunderbar trinken, aber auch noch liegen lassen. Besonders der noch frische, feste Gaumen lässt noch einige Jahre Potential erwarten.

Le Serre Nuove 2008

55% Merlot / 30% Cabernet Sauvignon / 8% Cabernet Franc / 7% Petit Verdot

Ein schönes, aber für Le Serre Nuove wohl auch eins der schwierigsten Jahre überhaupt. Regenreicher Frühling, gefolgt von einem äußerst heißen Sommer bis Mitte September und anschließendem Temperatursturz um 20°C während der Ernte. Der Merlot kommt etwas zu reif rein und gibt dem Le Serre Nuove einen nicht ganz typischen Touch. Ein wenig überladen und zu konzentriert ist er, wobei sich der Eindruck des Weins laut Axel Heinz über die Jahre sehr wandelt. Anfangs großartig, lange verschlossen, dann zu üppig und schließlich einfach noch nicht betriebsbereit.

Der Wein präsentiert sich kraftvoll, kernig und dicht mit reifer Frucht von dunklen Beeren, Kirsche und reifer Pflaume. Dazu etwas gedörrte Feige. Am Gaumen sehr saftig und tanningeladen. Noch ein paar Jahre liegen lassen.

Le Serre Nuove 2007

40% Merlot / 40% Cabernet Sauvignon / 15% Cabernet Franc / 5% Petit Verdot

Ein klassischer, mediterraner Jahrgang in Bolgheri. Geprägt von einer recht kühlen Periode zu Beginn des Jahres, immer wiederkehrenden kühleren Abschnitten über die Vegetationsperiode hinweg mit ausreichend warmen Zeiten um reife Trauben mit hoher Konzentration zu produzieren. Die Stilistik ist eher kühl und auf der trinkfreudigen, eleganten Seite der Dinge. Sowohl Frische und Finesse, als auch Tiefgang und Komplexität vermählen sich im 2007er. Für nun über 10 Jahre Reife noch lange nicht auf der Höhe, sowohl in der Nase als auch am Gaumen. Süße dunkle Frucht, Cassis, Leder, Zigarrenkiste und Rauch in der Nase. Am Gaumen rund, harmonisch und schmeichelnd mit Frische und Zug. 

Le Serre Nuove 2006

50% Merlot / 35% Cabernet Sauvignon / 9% Cabernet Sauvignon / 6% Petit Verdot

Es folgt der 2006er, mein Favorit der Verkostung. Von Axel Heinz als großer Jahrgang betitelt, der jedoch auf sich warten ließ. Zwar verspäteten sich sowohl Austrieb als auch Blüte, jedoch entschädigte ein trockener, warmer Sommer und lies den Merlot perfekt und sehr gleichmäßig reifen. Der Cabernet Sauvignon kam mit kleineren Hindernissen in Form von Niederschlag schließlich ebenfalls in ausgesprochen guter Qualität rein. Der anfängliche Eindruck ließ das Team von einem ggf. zu dichtem, konzentrierten Jahrgang ausgehen. Dieser Eindruck konnte nach einiger Zeit auf der Flasche revidiert werden und bestätigte das exzellente Traubenmaterial und den großen Jahrgang. Viel reife Beerenfrucht und Kirsche, Pflaume und insgesamt sehr kraftvoll und intensiv, aber nicht überladen. Dem üppigen 2008er gar nicht so unähnlich, bis man ihn dann am Gaumen hat. Dort präsentiert er sich mit mehr Feinheit und Eleganz, mehr Komplexität und auch Balance. Aktuell in einem sehr sehr schönen Trinkfenster, ausbalanciert und gereift.

Le Serre Nuove 2001

70% Cabernet Sauvignon / 30% Merlot

Ein anderer Le Serre Nuove. Gewissermaßen die Vorversion des Le Serre Nuove Dell’Ornellaia. Axel Heinz nennt diese Jahrgänge – wie auch den folgenden 1997er – die Frühversion des Le Serre Nuove. Warum? Mit der Zusammensetzung von mehr als ⅔ Cabernet Sauvignon und nur ⅓ Merlot hat sich die Cuvée heute gedreht. Mit noch jüngeren Reben und andere klimatischen Bedingungen als heute, sind die Bedingungen für einen großen Wein heute besser. Sehr schön gereift zeigt sich der dominierende Cabernet Sauvignon mit Paprika und Tomate, Jod und erdigen, ledrigen Noten. Das Gerüst am Gaumen ist noch voll intakt und jetzt sowohl solo als auch zu Speisen wunderbar zu genießen. Für Ornellaia und das Team sind diese “alten” – im doppelten Sinn – Jahrgänge sehr wichtig und zeigen sowohl die Entwicklung als auch das Potenzial der Anlagen, so Heinz.

Le Serre Nuove 1997

75% Cabernet Sauvignon / 25% Merlot

Eins DER Jahre in der Toskana und gleichzeitig der erste Jahrgang des Le Serre Nuove Dell’Ornellaia. Und das macht richtig Spaß zu trinken und genießen. Früher Austrieb, ein Frosteinbruch und folgende Niederschläge verlangsamten den gesamten Zyklus zunächst. Der Sommer verlief dann jedoch sehr trocken und überdurchschnittlich warm, was zu voll ausgereiften Trauben, sehr gutem Material bei etwas unterdurchschnittlichem Ertrag führte. Noch etwas schwarze Kirsche, Brombeere, Leder, Zigarrenkiste und Menthol finden sich in der Nase. Der Gaumen ist voll in Schuss und steht in voller Harmonie. Eine gute Länge im Finish attestieren dem ersten Jahrgang des ersten Zweitweins der Toskana noch volle Vitalität und Trinkvergnügen. 

Zunächst ein großer Dank an Ornellaia und Axel Heinz für das ausführliche Tasting und die Möglichkeit, die Entwicklung des Le Serre Nuove über eine Spanne von 20 Jahren zu verfolgen. Spannend war die Sprachfreudigkeit von Head-Winemaker Axel Heinz, der zwischendurch aufgrund des engen Zeitplans gebremst und unterbrochen werden musste – sehr angenehm! Der Le Serre Nuove Dell’Ornellaia ist nicht nur qualitativ ein würdiger Zweitwein, sondern ein essentieller Teil des Ornellaia-Imperiums. 

Die Abhängigkeit des Le Serre Nuove vom Jahrgang lässt sich über die Jahre sehr klar nachvollziehen und zeigt die verschiedenen Facetten, die ein Le Serre Nuove einnehmen kann: vom heißen, extraktreichen Kraftprotz über den perfekt ausbalancierten Schmeichler bis zum kühleren Le Serre Nuove Dell’Ornellaia. Abschließend ist klar zu sagen, dass sich acht bis zehn Jahre auf der Flasche empfehlen, um den Wein im richtigen Trinkfenster zu erwischen. Dieses optimale Trinkfenster hält sich anschließend für weitere 10 Jahre. Beachtlich für einen “Zweitwein”, nicht wahr?! 


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Author

Björn Bittner ist der Gründer von BJR Le Bouquet. Im Magazin beschäftigt er sich mit den Themen Premium-Kulinarik, Luxus und Lifestyle. Bon Vivant!

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