Ein sonniger Tag im Frühsommer. Die Straßen sind belebt, an der Ecke spielt ein Straßenmusiker Akkordeon, das Thermometer zeigt 23 Grad und man sitzt mit ein paar Freunden in seinem Lieblings-Bistro. “Die Meeresfrüchte sind ganz frisch und waren vor 12 Stunden noch im Wasser”, antwortet der Kellner auf die Frage was sich heute besonders lohne. 

Also bestellen wir ein Dutzend Austern und den richtigen Begleiter für diese Juwelen aus dem Meer – eine Flasche Chablis. Knackig, frisch, animierend – genau das, was man in dieser Situation braucht. Oder zum Apero. Oder als Solist. Oder, oder, oder.

Denn die Weine aus dem nördlichen Teil des Burgunds sind wahrlich Allrounder und eignen sich zu vielen Speisen, Stimmungen und Anlässen. Wenn ich Weine aus dem Chablis auf Veranstaltungen präsentiere – ob face2face oder digital -, ist es mit dem Chablis ein wenig wie mit den Weinen  aus dem Rioja. Weintrinker, die vielleicht nicht so tief im Thema sind, denken auch beim spanischen Roten oft an Rioja als Wein und Rebsorte. Ähnlich ist es im Chablis, wo nicht selten davon ausgegangen wird, dass Chablis der Weintyp und die Rebsorte zugleich ist. Doch dem ist tatsächlich nicht so. Aber der Reihe nach. 

Wie in vielen Anbaugebieten gibt es im Chablis ein breites Spektrum an Produzenten. Dieses reicht vom Weinbauern, kleinen Produzenten, größeren Produzenten hin zur sogenannten Winzergenossenschaft. Bei einer Genossenschaft “tut man sich zusammen”, genauer gesagt tut sich eine beliebige Zahl von Winzern zusammen. Sie bauen individuell und jeder für sich die Trauben an, vinifizieren diese jedoch zentral an einem Ort. Für den Anbau und Umgang mit den Trauben gelten natürlich klar definierte und strenge Regeln, um die Qualität der späteren Weine sicherzustellen. 

La Chablisienne gehört zu den besten Winzergenossenschaft Frankreichs 

Im Chablis ist es die Winzergenossenschaft  “La Chablisienne”, die eine ganze Reihe an versierten, motivierten Weinbauern unter einer Brand vereint und Jahr für Jahr authentische Weine auf die Flaschen bringt. Dies bezeugt beispielsweise die Auszeichnung als “Beste Winzergenossenschaft Frankreichs” in einem hochklassigen Mitbewerberfeld und natürlich die große internationale Beliebtheit der Weine aus der größten Produktionsstätte im Chablis im nördlichen, inselartigen Zipfel des Burgunds.  

Die Geschichte von La Chablisienne

Wo die Geschichte des Anbaugebiets Chablis natürlich weiter zurückreicht, beginnt die der Winzergenossenschaft La Chablisienne im Jahre 1923 mit dem Zusammenschluss von rund 300 Winzern unter der Flagge von La Chablisienne um Kopf Abbé Balitrand. Die Zeiten waren schwierig und unvorhersehbar und so versuchte man, mit vereinten Kräften möglichen Widrigkeiten gemeinsam und geschlossen entgegenzutreten. Wie so oft, lernt man mit der Zeit. Man lernt den Umgang mit den Weinbergen, mit den Trauben und den Weinen zu arbeiten und sich stetig zu steigern. So ging La Chablisienne Mitte der 50er Jahre dazu über, sich von den Weinbauern  mit dem Most ihrer Trauben beliefern zu lassen, um ab diesem Punkt die weitere Entwicklung der Weine in eigenen Händen haben zu können. Dieser Schritt war richtig und wichtig und gab La Chablisienne die Möglichkeit, früh in der Wertschöpfungskette anzusetzen und die Qualität im eigenen Haus zu verantworten. Nicht falsch verstehen: Natürlich ist die Bewirtschaftung der Rebflächen nicht dem Zufall überlassen und findet im permanenten Austausch mit den Experten der Genossenschaft, ihrem Qualitätsanspruch und der Philosophie des Hauses statt.

Die Genossenschaft bewirtschaftet insgesamt gut 1400 ha im Chablis. Aber sie stellt ein Viertel der gesamten Produktion des Anbaugebiets Chablis! Natürlich – nichts anderes ist in der Weinregion erlaubt – sind diese 1400 ha ausschließlich mit der weißen Chardonnay-Traube bestockt. Mit 1400 ha und jeder vierten produzierten Flasche aus dem eigenen Keller ist das Portfolio an unterschiedlichen Weinen, entsprechend auch Rebflächen und Lagen groß und vielfältig. 

Nicht weiter verwunderlich also, dass La Chablisienne neben Village-Lagen um die Stadt Chablis, auch eine ganze Reihe an als Premier Cru und Grand Cru klassifizierten Weinbergen besitzt. La Chablisienne ist in der glücklichen Lage, ein beachtliches Mosaik verschiedener ‚Climats‘ zu besitzen.  Zwar wächst auf allen Chardonnay, jedoch ist die Qualität der Trauben hier so hoch, dass sie eine besondere Erwähnung wert sind. Schaut man sich das Portfolio genauer an und beginnt pyramidenförmig mit den vermeintlich einfacheren Einstiegsqualitäten, werden in den Kellern von La Chablisienne 27 verschiedene Weine auf die Flasche gebracht. 

Weine und Appellationen

Los geht es mit den drei Petit Chablis Vibrant, Pas Si Petit und Dame Nature. Die Petit Chablis bieten den perfekten, leichten Einstieg in die Kollektion und bestechen durch ihre Frische und Spritzigkeit. Die 1944 ins Leben gerufene Appellation Petit Chablis ist über das gesamte Anbaugebiet verteilt. Sie reicht bis in die Anfänge der Hochebene, wo die Reben auf bis zu 280m über dem Meeresspiegel stehen.  

Die Gemeindeappellation Chablis ist gleichzeitig die größte und besteht seit 1938. Sie erstreckt sich über die gesamten Hügel um die Stadt Chablis. Den Ursprung hat der Weinbau hier, wie soll es anders sein, durch die Zisterziensermönche, die wie so oft durstiger Natur waren und so den Weinbau ab dem 12. Jahrhundert vorantrieben. Das Gebiet, wie auch das des Petit Chablis, wird durch den kleinen Fluss Serein – nicht umsonst trägt einer der Weine diesen Namen – geteilt und erstreckt sich über die Gemeinden Béru, Chablis, Fyé, Milly, Poinchy, La Chapelle-Vaupelteigne, Chemilly-sur-Serein, Chichée, Collan, Courgis, Fleys, Fontenay-Près-Chablis, Lignorelles, Ligny-le-Châtel, Maligny, Poilly-sur-Serein, Préhy, Villy und Viviers. Aus den knapp 3700 ha vinifiziert La Chablisienne die CuvéesChablis Le Finage, La Pierrelée, La Sereine, Les Vénérables und Dame Nature.

Folgt man der Qualitätspyramide eine Stufe nach oben, erreicht man die Premier Crus, deren Menge gegenüber der Gemeindeappellation Chablis natürlich viel geringer, dafür die Qualität hochwertiger ausfällt. In Zahlen gesprochen, umfassen die Premier Crus im Chablis gerade einmal 778 ha – gemessen an den rund 3700 ha der Gemeindeappellation, nur ein Bruchteil. Steigt die Qualität, wird natürlich genauer selektiert und klassifiziert. Auf der gesamten Rebfläche des Chablis gibt es nur 47 Climats – ein Climat bezeichnet eine einzelne, durch ihre Eigenschaften außergewöhnliche Weine hervorbringende Parzelle – von denen 40 auf die Appellation Chablis Premier Cru entfallen. Von diesen 40 Premier Crus, die sich ebenfalls auf beide Seiten des Flusses – genauer genommen entlang der Ufer der Serein und des kleinen Nebenflusses Yonne verteilen – vinifiziert La Chablisienne Chablis Premier Cru Grande Cuvée, Beauroy, Côte de Léchet, Fourchaume, Les Lys, L’Homme Mort, Montée de Tonnerre, Mont de Milieu, Montmains, Vaillons und Vaulorent. Jeder einzelne dieser Premier Crus weist einzigartige, außergewöhnliche Eigenschaften auf, die sich von den anderen umliegenden Weinbergen klar in der Qualität abgrenzen und Weine besonderer Güte hervorbringen. Das schlägt sich selbstredend im Preis nieder, allerdings auch im Lagerpotenzial und der Komplexität dieser Weine.

Nimmt man nun die letzte Stufe zum Kopf der Pyramide, befinden wir uns in den legendären, außerordentlich hochwertigen und exklusiven Grand Cru-Lagen des Chablis. Zu diesen zählen insgesamt sieben, von denen La Chablisienne ganze fünf Lagen auf die Flasche bringt – Chablis Grand Cru Vaudesir, Les Clos, Bougros, Blanchot und Les Preuses. Wo sich die Villages und auch Premier Crus auf beide Ufer der Serein aufteilen, finden sich die Grand Crus ausschließlich “am rechten Ufer” des Flusses. Wo sich die Quantität enorm verringert – von knapp 800 ha auf 100h a – gehen neben Qualität und Nachfrage die Preise exorbitant nach oben. Nicht selten kann man eine 0 an den Preis mancher Premier Crus hängen! Die Weine der Appellation Chablis Grand Cru sind komplexer, finessenreicher, bestechen durch ihre Harmonie, Typizität und Herkunft und heben sich so nochmals von den bereits sehr hochwertigen Premier Crus ab. 

Aushängeschild unter all den Grands Crus ist der Grand Cru Château Grenouilles. Die Lage des Chablis Grand Cru Châeau de Grenouilles umfasst 9,4 ha, von denen 7,2 ha auf La Chablisienne entfallen. Denn die Genossenschaft hatte vor ein paar Jahren die Chance, die Domaine de Château Grenouilles zu kaufen. Die restlichen 2,2 Hektar dieses Spitzenlage sind unter sieben anderen Eigentümern aufgeteilt.

Böden aus der Zeit des Jura 

Auch wenn sich die Qualitäten entlang der Pyramide und zwischen den unterschiedlichen Ebenen teils natürlich erheblich unterschieden, vereint die Weine etwas, auf das man hier bei La Chablisienne sehr stolz ist: die Böden aus Kimmeridge-Kalk. Diese Art von Kalk gibt es sonst nirgendwo und  er ist wahrlich ein Alleinstellungsmerkmal des Chablis. 150 Millionen Jahre alt ist dieser Untergrund aus Kimmeridge Kalk und rührt daher, dass das Gebiet um Chablis zum Pariser Becken gehörend, in früheren Zeiten unter Wasser stand und sich über Jahre Minerale und Fossilien wie die kleine Austernart „Exogyra virgula“ dort abgelagert haben, die den Reben heute sehr zugute kommen. Die Böden sind weiß bis hellgrau, flößen den Reben ihre Mineralstoffe ein und sind für die mineralische, kreideartige Note in den Weinen des Chablis verantwortlich. 

Mit seinen großen Rebflächen in ganz Chablis kann La Chablisienne aus dem Vollen schöpfen und authentische Weine mit der entsprechenden Lagencharakteristik auf die Flasche bringen. 

Unterstützt wird dieser Bezug zur Herkunft, zum Terroir durch die naturnahe Arbeit im Weinberg und im Keller. So ist La Chablisienne Mitglied von Terra Vitis, einer Charta, die sich nachhaltiges Landwirtschaften auf die Fahne geschrieben hat. Seit über 10 Jahren wird hier “genau hingeschaut und nachverfolgt” was im Berg geschieht. Dabei wird nach strengen, vorab festgelegten Regeln und mit Rücksicht auf die Natur gearbeitet. Als Mitglied von Terra Vitis steht die  nachhaltige Bewirtschaftung und der Austausch zwischen Mensch und Natur als Überbegriff über allem. 

Darunter verbergen sich Grundsätze wie das Schaffen und Erhalten gesunder Böden, der Schutz der Weinbergarbeiter vor Pflanzenschutzmitteln und entsprechend weiterführend die Gesundheit des Konsumenten, sowie die Reduktion oder gar Verhinderung von Umweltbelastungen in der gesamten Wertschöpfungskette.

Diese Philosophie, das Streben nach der bestmöglichen Qualität, hebt La Chablisienne von vielen anderen Genossenschaften ab und hat sich gerade in den letzten Jahren durchaus bezahlt gemacht. Denn natürlich ist ein vielfaches Überprüfen und Justieren diverser Parameter im gesamten Prozess sowohl zeit- als auch kostenintensiv, wirft jedoch im Fall von La Chablisienne in den letzten Jahren die entsprechenden Früchte ab. Neben der bereits erwähnten Auszeichnung zur “Besten Winzergenossenschaft Frankreichs” konnte sich Head Winemaker Vincent Bartement im Jahr 2020 mit dem Titel “Weißweinwinzer des Jahres” schmücken. Im selben Rahmen wurde bei der relevanten und bekannten International Wine Competition in London der La Chablisienne Les Clos Grand Cru des Jahrgangs 2017 als bester Weißwein des Jahrgangs ausgezeichnet, was die akribische Arbeit stützt und die Relevanz von La Chablisienne bezeugt.

In den kommenden Monaten werde ich einige der oben aufgeführten Weine von La Chablisienne verkosten. Im Folgenden werde ich nach und nach die Verkostungsnotizen auf Englisch publizieren und editieren, damit man sich ein persönliches Bild der Weine machen kann.

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Author

Björn Bittner ist der Gründer von BJR Le Bouquet. Im Magazin beschäftigt er sich mit den Themen Premium-Kulinarik, Luxus und Lifestyle. Bon Vivant!

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