Zwischen Budapest und dem Ufer des Mittelmeers liegt der Plattensee und die Ortschaft Kethely. Wir befinden uns im Westen Ungarns und auch am westlichen Ende des Plattensees. Wer sich nun fragt wer oder was der Plattensee ist und warum man vielleicht noch nicht davon gehört hat – man nennt ihn auch Balaton, womit nun jeder Leser eingefangen sein sollte.
Viele werden die Region um den Balaton aus den eigenen Urlauben, Erzählungen von Freunden oder von Webseiten der Reiseportale kennen, schließlich ist der Balaton seit jeher ein schwer angesagtes Reiseziel für Touristen aus ganz Europa. Dabei erstreckt sich der Plattensee über knapp 200km und ist der größte Süßwassersee in ganz Mitteleuropa.
Und auch wenn man es nicht im ersten Moment auf dem Schirm hat, wird hier bereits seit der Zeitenwende Wein kultiviert. Die Kelten und Römer – wer sonst – begannen hier früh Reben zu setzen und somit schaut das Land Ungarn, insbesondere die Weinbauregionen um den Plattensee – auf eine lange Historie im Weinbau zurück.
Die Weinbauregion “Balaton” lässt sich in sechs Subregionen unterteilen, von denen ich mich heute auf eine ganz spezielle, genauer gesagt auf ein Weingut in dieser Region, fokussieren möchte, auf das Weingut Kristinus in der Subregion Balatonboglar. Balatonboglar liegt an der Südseite des Plattensees. Es erstreckt sich fast über die gesamten 79km Länge auf 3200ha. So reichen die Rebflächen von den Ufern des Balatons bis einige Kilometer weit ins Landesinnere.
In dieser hügeligen, vom Plattensee klimatisch regulierten Zone befindet sich das Weingut Kristinus im eingangs erwähnten Kethely. Das Weingut Kristinus ist gemessen an der Historie des ungarischen Weins mit seiner Gründung in 2011 noch jung, hat jedoch hohe Ambitionen und ein motiviertes Team, das seit dem alles für das Weingut gibt.
Es liegt nur wenige Kilometer von den Ufern des Plattensees entfernt, verfügt über 62ha eigene Rebfläche und 35ha Grünland.. Die Rebanlagen sind im Schnitt 15 Jahre alt. Dabei gibt es jüngere Anlagen, dazu zählt der Furmint, aber auch ältere Rebbestände, die beim Erwerb des Weinguts übernommen wurden und nun weiter bewirtschaftet werden.
Die Rebsorten sind in der Weinregion weit gefächert, und auch Kristinus hat ein breites Portfolio an unterschiedlichen Rebsorten vorzuweisen. So reichen die Weißweine von einheimischen, autochthonen Rebsorten wie Irsai Olivér, Királyleányka und Furmint über Welschriesling, gelber Muskateller, Rheinriesling, Grauburgunder (ungarisch: Szürkebarát) bis hin zum internationalen Chardonnay. Auch in Sachen Rotwein setzt sich das Spektrum aus lokalen und internationalen Rebsorten zusammen: Cabernet Sauvignon und Merlot, Spätburgunder, Cabernet Franc und Blaufränkisch, oder wie man hier sagt: Kekfrankos.
Kennenlernen durfte ich das Weingut, insbesondere Winzer Florian Zaruba und seinen deutschen Vertreter Gabor Csanaki, während der ProWein 2019. Gemeinsam genossen wir bei meinem ausgesprochenen Lieblingsjapaner Nagaya in Düsseldorf und verkosteten bei einem eindrucksvollen Dinner das gesamte Portfolio von Kristinus. Witzigerweise ist Florian, der heute fast ausschließlich in Ungarn anzutreffen ist, Deutscher und Gabor, der seinen Wohnsitz in Düsseldorf hat Ungar. Durch seinen Standort hat er somit hier und da Zeit für einen Kaffee, ein Glas Kekfrankos oder die Verkostung der gesamten Kollektion mit all ihren unterschiedlichen Rebsorten und Weinen.
Seit der letztjährigen ProWein stehen wir nun in Kontakt, ich konnte immer wieder einmal die Weine verkosten und somit verfolgen, was Florian mit seinem Team am Balaton leistet.
Und so kommen wir zu einem spannenden Thema, das Kristinus nun seit gewisser Zeit beschäftigt und einen bedeutenden Schritt in der Geschichte des Weinguts, aber auch der Weine um den Balaton bedeutet. Es geht um das Thema Biodynamie.
Bevor ich jedoch in den Prozess der Umstellung auf ein biodynamisches Wirtschaften bei Kristinus einsteige, möchte ich kurz einige Informationen zum Thema Biodynamie beleuchten, da ich dieses Thema bisher nicht auf meinem Blog thematisiert habe – was natürlich nicht bedeutet, das ich noch nie Weine aus biodynamischem Anbau verkostet und getrunken habe.
Biodynamie geht nicht mal so eben. Als Winzer kann man nicht heute entscheiden, dass man ab morgen biodynamisch arbeiten möchte und damit ist die Transformation abgeschlossen. Wäre einfach – jedoch nicht einmal unbedingt schön. Denn so ist der Prozess hin zur Biodynamie einer, den wohl kein Winzer missen möchte, so schwer er auch sein mag.
Einer der Pioniere auf dem Gebiet der Biodynamie ist Nicolas Joly, der seine Rebflächen bereits seit 1984 biodynamisch bewirtschaftet und wohl das Vorbild eines jeden Winzers ist, der der Biodynamie verfallen ist. So auch Florian.
Im Endeffekt kann man das Thema Biodynamie darauf runterbrechen, dass man so gut wie nicht in die Abläufe der Natur eingreift und somit den gesamten, natürlichen Organismus sich selbst überlässt. Unterstützen kann und sollte man ihn jedoch mit einigen, wenigen Helferlein. Werden andernorts, nicht an der Biodynamie orientiert, diverse Spritzmittel als “kleine Helferlein” betitelt, sind es hier einfache, bäuerliche und auch homöopathische Mittel wie Kompost aus Dung aus dem eigenen Stall, das bearbeiten der Weinberge mit Pferden statt mit Maschinen und die Beigabe von natürlichen Heilpflanzen wie Kamille, Schafgarbe, Eichenrinde, Brennessel oder Baldrian. Das Resultat ist ein lebendiger “Berg”, voller Mikroorganismus und Organismen, die im Boden, an der Rebe und in der Luft unterwegs sind und den ganzen Kreislauf ausbalancieren und gesund halten. Wie in der Homöopathie wird präventiv gearbeitet, das Immunsystem des Organismus’ gestärkt. Somit kann sich dieses selbstständig wehren und wird nicht erst beim Befall von Krankheiten mit der chemischen Keule malträtiert. Auch der Lesezeitpunkt spielt eine Rolle und orientiert sich am Mondkalender, um dann aktiv zu werden, wenn es für die Trauben am besten ist.
Das alles mag sich von außen wie Quark oder Hokuspokus anhören, hat jedoch Bestand und bringt seit Jahren Weine von besonderer Güte hervor.
Wie so oft gab es auch für die Entscheidung, das Weingut biodynamisch zu bewirtschaften einen Auslöser, einen Reiz, einen Einfluss. Florian lernte mit Andrew Lorand und Vincent Mason zwei der Pioniere der Biodynamie kennen, die bereits Franz Weninger im ungarischen Balf für die Biodynamie begeistern konnten. Florian war schon immer Fan von diesem Ansatz und von den Gefahren unbeirrt, entschied Florian für Kristinus, dass dies der Weg der Zukunft sein sollte. Wie man sich vorstellen kann, war sein Team anfangs nicht sehr angetan von dieser Idee, diesem gänzlich neuen Ansatz und ihm wehten viele skeptische Stimmen bereits zu Beginn der Umstellung entgegen. Die Rede war von komplett eingebüßten Jahrgängen während der Umstellungsphase, was in finanziellen Engpässen oder Insolvenz enden kann.
Er konnte sie überzeugen.
Aber warum hat er sich so von diesem anfangs noch kleinen Keim anstecken lassen, der ihm eine ganze Menge zusätzliche Arbeit und wohl auch Kopfschmerzen bereiten würde?
Es geht um so vieles. Dabei ist die Qualität natürlich einer der Schlüsselfaktoren. Ebenso die Nachhaltigkeit. Es geht um das ganze Große, nicht nur die Lese, oder nicht nur den Keller. Wein wird aus einem Spektrum – im besten Fall funktionierender – Parameter erzeugt und nur wenn all diese Parameter stimmen, nicht nur stimmen sondern im Einklang sind, wird es entsprechend gut. So der Gedanke. Und zu diesen Parametern gehören sämtliche Organismen, die so im Weinberg umher- durch die Rebstöcke kreuchen und fleuchen. Abläufe, die im Einklang mit der Natur geschehen und dementsprechend diese Abläufe nicht beeinflussen oder verändern, sondern nur unterstützen sollen. Darum geht es.
Mit diesem Respekt tritt Florian und sein Team den Pflanzen, den Böden und sämtlichen Organismen im Weinberg gegenüber und ist sich sicher: Der Einklang mit der Natur wird Kristinus bessere Trauben bringen, gesündere Weinberge und authentischere, puristischere und expressivere Weine, die die Region und das Terroir von Balatonboglar repräsentieren. Auch im Keller werden keine Reinzuchthefen mehr verwendet – ausschließlich wilde Hefen sind nun die “Alkoholgaranten” im Keller von Kristinus.
Wie bereits erwähnt, ist solch ein Prozess nicht von heute auf morgen zu vollziehen. Man braucht Geduld, ein glückliches Händchen hier und da und dann, allmählich nimmt es Formen an. Wie lange so eine Umstellung wohl dauert, wird man sich nun fragen. Kristinus hat gerade Bergfest gefeiert, hat also ungefähr die Hälfte des Transformationsprozesses absolviert. In 1,5 Jahren. Wie gesagt, Geduld.
Dass die hügeligen, von Lehm gespickten Böden und der regulierende Einfluss des Balaton für eine Vielzahl an Rebsorten passend sind, wird klar, wenn man sich die Trauben anschaut, die Kristinus selbst auf ihren gut 60ha anbaut und die entsprechend schließlich auf der Flasche landen, die mit dem Profil des Plattensees gelabeled ist.
Hier heißt die Rebsorte tatsächlich “Irsai Oliver” und entsprang 1930 einer Kreuzung zweier Rebsorten, deswegen Oliver 1930. Die erste Nase verrät ihre Verwandtschaft zur Familie der Traminer. Hocharomatisch, floral, mit Litschi und Muskatnuss präsentiert sich die Nase des Oliver 1930 expressiv und einladend. Am Gaumen ist er saftig, weich, bietet einen “Mund voll Wein” und ist mit seiner feinen Säureader ein frischer Every-Day-Drinking Wein. Der Oliver 1930 wird bereits Mitte Juli gelesen – als zweiter Lesegang im Jahr überhaupt – was das Bestreben zeigt, einen Wein voller Frische und Frucht auf die Flasche zu bringen.
Eine Weißwein Cuvée aus Chardonnay, Sauvignon Blanc und Grauburgunder. Ein Trio, das sich im Utopia zu einer sehr harmonischen Einheit zusammenfindet. Der Sauvignon Blanc sieht ein wenig Holz für mehr Struktur, der Chardonnay und Grauburgunder bleiben im Edelstahltank. Die Nase zeigt sich im ersten Moment kräutrig und grasig. Riechst du ein zweites Mal in den Utopia, sind da Weinbergpfirsich, Zitrone, Mango und zerlassene Butter. Auch ein wenig Nuss. Der Gaumen hat eine schöne, schmeichelnde Cremigkeit bei feiner Säure. Mango, Zitrone und Pfirsich finden sich auch am Gaumen wieder. Das Finish ist von guter Länge und wird von Zitrone begleitet.
Florian denkt gerne quer und probiert Neues aus. Damit meine ich iin diesem Fall den neuen, noch nicht offiziell erhältlichen Pet Nat, das bedeutet Pétillant Naturel = natürlich prickelnd. Anders als bei klassischen Schaumweinen, die mit der traditionellen Methode auf die Flasche gebracht werden, wird der Most während der ersten Gärung auf die Flasche gefüllt und gärt hermetisch versiegelt munter weiter. Hier wurde der Wein nach Abschluss der Gärung nicht degorgiert, weshalb die Hefe aromatisch gewolltermaßen im Wein präsent ist. Vinifiziert wird der trockene Pet Nat aus Gelbem Muskateller. Optisch haben wir trüben Apfelsaft im Glas. In der Nase ist er außergewöhnlich komplex, mit floralen Noten, die der Rebsorte zugeschrieben werden dürfen, Zitrone, Steinfrucht und geriebenem Apfel. Und dann eben noch die Hefe, die dem Pet Nat eine weitere Dimension verleiht. Am Gaumen hat er eine sehr feine Perlage und tolle Struktur mit knackiger, präsenter Säure. Der dürften einer ganzen Reihe von Pet Nat-Fans gefallen!
Die Ergänzung zur Weißwein Cuvee Utopia – Euphoria! Die internationalen Rebsorten Cabernet Sauvignon, Merlot und der heimische Kekrankos werden dafür nach der Vinifizierung cuvettiert und anschließend unterschiedlich ausgebaut: die eine Hälfte kommt 14 Monate in Amphoren, die andere Hälfte landet im 225L Holz aus ungarischer Eiche. Strahlendes purpurrot im Glas, Schwarzkirsche und etwas rote Johannisbeere in der Nase. Feine, aber präsente Würze und Süße vom Holz und erdige Aromen kommen raffiniert zusammen. Der Kekfrankos steuert seine Fleischigkeit dazu. Am Gaumen voller Saft, angenehme Tannine und Körper, der weder überladen oder dick, noch zu leicht daherkommt. Ob vor dem Kamin oder im Sommer zum BBQ – Trinkfluss garantiert.
Kékfrankos? Ja, das ist Blaufränkisch! Spricht man es laut aus, erkennt man die Ähnlichkeit. Ich bin ein großer Fan dieser roten Rebsorte. Diese fleischigen, würzigen Weine machen wahnsinnigen Spaß – ob solo oder zu Speisen. Der Kékfrankos von Kristinus strotzt vor frischer Frucht: schwarzer Kirsche und Himbeere lassen sich sofort identifizieren. Dann haben wir da Cassis, schwarzen Pfeffer, Kaffee und eine subtile aber dennoch präsente Note von Holunder. Sehr spannend! Der Gaumen ist wie erwartet würzig und rassig, ausbalanciert, hat eine animierende Säure und ist eher auf der leichteren Seite des Spektrums von Kékfrankos. Das Finish ist lang, würzig und macht Lust auf ein weiteres Glas.
Ich habe ihn mit einem Freund verkostet, der zum einen großer Chardonnay, zum anderen noch größerer Burgund-Liebhaber ist. Blind gab es den Chardonnay aus der Kristinus Sommelier Line ins Glas. In strahlendem strohgelb stand er im Zalto Burgund. Die Nase war zunächst erstmal recht leise und reduktiv. Viel Frucht war da nicht. Etwas Steinfrucht und Apfel. Viel Holz war da auch nicht. Zum Glück. Dieser Chardonnay ist auf der kargen Seite und das gefällt. Nasse Steine und Mandeln. Alles wirkte ganz aufeinander abgestimmt und überzeugte uns blind. Der Gaumen war elegant, etwas Apfel und Mandeln. Auf der Zunge pritzelte es links und rechts von seiner Salzigkeit. Komplex, unaufgeregt und elegant ist dieser Chardonnay aus Ungarn. Übrigens: der Trinkfluss ist enorm!
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