Reisen

Elsass – Eine sonnenverwöhnte Weinregion

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„Hier möchte man verweilen“, sagte ich meinem Freund René vergangenes Jahr im August, als wir über die Hauptstraße Riquewihrs schlenderten. Gut und gerne 30 Grad trieben uns durch die Gassen in Richtung Verkostungsraum. Die Hitze vergaßen wir allerdings schnell, als wir die mittelalterlichen Bauten an denen wir vorbeizogen betrachteten, die bereits Vorbild für Walt Disneys „Die Schöne und das Biest“ waren.

Riquewihr ist einer der geographisch zentralen, historischen Standorte, beschäftigt man sich mit einer der populärsten Weinbauregionen unserer Erde. Weinliebhaber wissen nun längst worum es hier geht. Menschen die gerne Reisen womöglich auch.

Das Elsass

Noch vor den Römern sollen die Kelten den Grundstein für Weinbau im Nord-Osten Frankreichs gelegt haben. Nach Abzug der Römer aus dem langen, an Deutschland grenzenden Gürtel, gab es zunächst eine Dürreperiode und erheblichen Rückgang des Weinbaus im Elsass. Blick und Panorama vom Schoelhammer auf Riquewihr im Elsass, FrankreichDie Christen hoben im 9. Jahrhundert die mit heute rund 15.000 ha Reben bestückte Region wieder aus der Versenkung und das Elsass mauserte sich bis zum 16. Jahrhundert zu einer der relevantesten Weinbauregionen.
So bezeichnet man das 18. Jahrhundert als ein goldenes Zeitalter für den Weinbau. Oft werden goldene Zeiten abrupt mit großem Schrecken beendet. So auch hier. Direkt eine ganze Reihe an vernichtenden Ereignissen ereilte die Weinbaunationen Europas. Kriege, Mehltau und die Reblausplage, die im Jahr 1863 unerwartet einschlug und große Teile des Weinbaus lahm legte.
Bis zu 75% der französischen Weinproduktion brach zeitweise aufgrund der Reblausplage weg und forderte vielerorts einen radikalen Neubeginn der Winzer.
In Gesprächen mit Winzern tradierter Betriebe, die auf eine lange Historie und viele Generation des Winzerseins zurückblicken können, sitzt dieser Schock auch heute noch tief und wohl für immer verwurzelt.

Klima – Es wird heiß, garantiert

Im Nordosten Frankreichs gelegen, zählt das fast an das benachbarte Deutschland grenzende Elsass zu den trockensten Weinbaugebieten Frankreichs. Begünstigt wird diese klimatische Eigenschaft durch die nahegelegenen Vogesen, die das Elsass vor ozeanischen Einflüssen schützen. Die dementsprechend oft brütend heißen Sommermonate bedeuten erhöhten Stress für die Reben, sorgen aber für eine volle Reife der Trauben.
Gemeinsam mit Jean-Frederic Hugel begaben wir uns letztes Jahr in einige der bis zu 400m hohen Lagen, die neben einem traumhaften Ausblick über Riquewihr, auch einen Einblick gaben, welcher direkten, ungebremsten Sonneneinstrahlung die Reben ausgesetzt sind.

Bodentypen – Gleich einem Mosaik

Beschäftigt man sich dann im Weinberg stehend mit dem, was sich unter der Schuhsohle befindet, setzt sich allmählich ein Bild zusammen. Ein Bild, warum die Elsässer Weine so spannend, so ausdrucksstark, so einzigartig sind.
So kann es schon einmal passieren – und das ist tatsächlich keine Seltenheit – dass man sich zu Fuß durch die Weinberge kämpft, sich in unregelmäßigen Abständen von 100 m, 300 m oder auch nur 20 m bückt, etwas Boden aufnimmt, diesen genau inspiziert und feststellt, dass sich die Bodentypen abwechseln.

Denn genau das ist der Clou, mit dem das Elsass und seine Winzer weltweit im Grunde alleine auf weiter Flur dastehen: der Boden. Dieser setzt sich hier wie ein Mosaik aus kleinen unterschiedlichen Teilen zusammen und umfasst bis zu 13 Bodentypen, von denen jeder einzelne Einfluss auf die Weine nimmt und seine ganz individuelle Charakteristik mit in den fermentierten Traubensaft einfließen lässt. 

Terroir Böden Muschel Famille Hugel Vineyard Soil
Tausend Jahre alte Böden

Das Repertoire der Natur reicht hier von Sandstein bis Granit, Ton und Vulkangestein, Mergel oder Kiesel, Ton und Schiefer. In den höhergelegenen Lagen fanden wir sogar jede Menge versteinerte Muscheln, wie das Bild beweist.
Kein Wunder also, dass dieses Terroir den Reben und Weinen seinen individuellen Fingerabdruck verpasst. Unabhängig von der Rebsorte, ergeben die noch zu Hauf von Hand gelesenen Trauben in den flacheren Lagen üppigere, opulentere Weine, wohingegen es Trauben aus Hanglagen vermögen, Weine mit mehr Eleganz und Feinheit zu vinifizieren. Im Elsass sind eben diese Trauben zu gut 90% weiß. Sprich 92% der elsässischen Rebflächen, in Zahlen rund 15.000ha, sind mit weißen Rebsorten bestückt. Nur 8% entfallen auf rote Rebsorten, was auch der Grund dafür ist, dass der elsässische Wein weltweit mit Weißweinen aus den hier populären Rebsorten assoziiert wird.

Rebsortenvielfalt im Elsass

Weintrauben für Weisswein bei Riquewihr im Elsass, Frankreich
Weisswein dominiert klar!

Einige dieser Rebsorten sind nicht nur im Elsass beliebt und repräsentieren elsässischen Wein international, sie sind auch über das Elsass hinaus „global player“. Zu ihnen zählen Riesling, Pinot Blanc und Pinot Gris, die auf unseren deutschen Weinkarten besser als Weiß- und Grauburgunder bekannt sind. Eine weitere Weißwein-Rebsorte für die ich das Elsass sehr schätze ist der Gewürztraminer. Diese Rebsorte, die sich mit einem betörenden Duft von Rosenwasser präsentiert. Eine weitere Tatsache, die mich schon recht früh zum Elsass-Fan machte ist, dass Pinot Gris’ – ich bin wirklich kein Grauburgunder-Freund – und auch Gewürztraminer mit einem schlichtweg überwältigenden Reifepotenzial aufwarten, und so zu noch viel großartigeren Tropfen heranwachsen. So standen verkostete Pinot Gris und Gewürztraminer aus den 70er und 80er Jahren noch so wahnsinnig frisch, gar jugendlich im Glas, dass ich als Freund gereifter, erwachsener Weine ehrfürchtig in die Knie ging und heute bei jeder sich bietenden Gelegenheit solch gereifte Schätze bestelle.

Doch das Elsass hat noch weitaus mehr Vielfalt zu bieten. So gesellen sich zu den bereits genannten „großen“ Namen weitere hochkarätige Rebsorten wie Muscat, Sylvaner oder, als meist verbreitete rote Rebsorte, der Pinot Noir, im Deutschen Spätburgunder. Die genannten sieben Rebsorten stellen den Bärenanteil der Region und werden von der Sorte Auxerrois, Klevner, der schweizerischen Rebsorte Chasselas und der Burgunderrebsorte Chardonnay ergänzt.

Appellationen und ihre Weine

So kommen wir zu den im Elsass herrschenden Regularien, die es beispielsweise dem Chardonnay im Elsass nicht vergönnen, als stiller Weißwein in der Flasche, respektive im Glas zu landen. Gemäß den elsässischen Appellationen dürfen Chardonnaytrauben nur in den Cremant d’Alsace einfließen und somit ausschließlich für den regionalen Schaumwein verwendet werden. Die Appellation AOC Cremant d’Alsace, die rund 20% der elsässischen Weinproduktion ausmacht und 1976 ins Leben gerufen wurde, umfasst Schaumweine die aus den Trauben der Riesling-, Pinot Gris-, Pinot Blanc,- Auxerrois- und Chardonnayrebe vinifiziert und in der traditionellen Champagnermethode – die zweite Gärung findet auf der Flasche statt – hergestellt werden. Bei diesen perlenden Tropfen und nicht nur bei diesen, versucht man heute, mit geringer Dosage und puristischer zu arbeiten.

Die Stillweine des Elsass werden in weitere zwei Appellationen unterteilt: die AOC Alsace und AOC Alsace Grand Cru. Die Basis für den elsässischen Wein und somit auch eine repräsentative Rolle übernehmend bildet die 1962 gegründete AOC Alsace, die mit 74% der gesamten Weinproduktion im Elsass klar den Ton angibt. Bei Weinen AOC Alsace, die meist aus einer Rebsorte hergestellt werden, wird eben diese auf dem Etikett vermerkt. Eine Lagebezeichnung wird man auf diesem jedoch nicht finden.

Sollte dies der Fall sein und ein Weinetikett führt beispielsweise die Lagenbezeichnung „Schoenenberg“, „Sporen“ oder „Hengst“, handelt es sich um einen Wein der Appellation AOC Alsace Grand Cru. Diese Weine entspringen einer der 51 vom Institut National des Appellations d’Origine Contrôlées (INAO) als Grand Cru klassifizierten Lagen und bringen die hochwertigsten Produkte der elsässischen Winzerkunst auf die Flasche. Ausschließlich vier Rebsorten – Riesling d’Alsace, Pinot Gris d’Alsace, Gewurztraminer d’Alsace und Muscat d’Alsace – sind für AOC Alsace Grand Cru zugelassen und machen gerade einmal 4% der gesamten Weinproduktion aus, was die strenge Selektion der Lagen für die Appellation mit dem Bestreben nach höchster Qualität verdeutlicht.

Weine aus dem Elsass… das waren oft überladene Weine, zu opulent und süß, etwas zu viel Speck und Alkohol, manchmal sperrig am Gaumen.
Heute hat sich dieser Stil vielerorts verabschiedet und räumt mit diesem leidigen, nicht mehr zeitgerechten Vorurteil auf. Ob trocken oder restsüß ausgebaut – aromatisch, intensiv und charaktervoll sind sie, die elsässischen Weine. Mehr Purismus und Frische sollen sie haben. Eine frühere Lese, gesunde Trauben und die Bodenvielfalt schenken den Winzern die Möglichkeit rassige, terroirbetonende Weine zu vinifizieren, die für jeden Gaumen die goldrichtige Facette bereithalten.

Das Elsass entdecken geht ganz leicht

Möchte man das Elsass und seine Weine besser kennenlernen, gibt es diverse Möglichkeiten.
Für mich ist der direkte Kontakt zu einer Region, zu ihren Winzern und Weinen nicht nur der sinnvollste, sondern auch der mit Abstand spannendste Weg. Nirgendwo anders kann man so viel lernen, mitnehmen und an Wissen aufsaugen wie vor Ort, im Elsass. Das Schlendern durch die mittelalterlichen Städte, das Einkehren in den Gasthäusern der Region und der Austausch mit den Einheimischen gibt einen wunderbaren Einblick in die Kultur dort und triggert mich persönlich immer noch weiter an, sich tiefer in die Materie einzuarbeiten. Besucht man die Winzer, zieht mit ihnen durch die Keller und Produktionsstätten und inspiziert schließlich die Ursprünge von alledem – „den Berg“, den Weinberg, beginnt man zu verstehen.

Millesime Alsace – Die CIVA bittet am 11.06. & 12.06. ans Glas

Pilgern Weininteressierte nun ins Elsass und begeben sich auf eine Reise durch die Weine der Region, lädt der elsässische Weinverband CIVA – Conseil Interprofessionnel des Vins d’Alsace – alle zwei Jahre Fachpublikum aus aller Welt an die Gläser und lockt mit einem spannenden Messe- und Rahmenprogramm. Ob Handel, Import, Gastronomie, Sommelier oder Journalist.
Neben den aktuell zu verkostenden Weinen, die beim Winzer und in freien Verkostungszonen zugänglich sind, finden Master Classes statt, die aktuelle Trends und die Weinkultur des Elsass beleuchten. Besonders spannend ist der Besuch ausgesuchter Weingüter und Weinberge mit den Winzern, das wohl beste Programm für einen interaktiven, persönlichen Austausch. Und, natürlich wird auch jede Menge Elsässer Wein verkostet!

Ich bin schon wahnsinnig gespannt auf die Tage im Elsass und werde ausführlich berichten!

Björn Bittner ist der Gründer von BJR Le Bouquet. Im Magazin beschäftigt er sich mit den Themen Premium-Kulinarik, Luxus und Lifestyle. Bon Vivant!

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