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Bjr Le Bouquet beim Weingut Dreissigacker

Mein erster Berührungspunkt mit dem Weingut Dreissigacker war noch einige Zeit bevor ich mich so intensiv mit dem Thema Wein beschäftigte. So fiel mir beim Besuch in einem der angesagtesten Düsseldorfer Luxushotels zur jährlichen ProWein auf, dass die Dreissigacker Flagge gehisst war und mit einer Broschüre auf jedem Zimmer für regen Informationsfluss aus Rheinhessen gesorgt wurde. Stark!

Ein Name war mir das Weingut Dreissigacker, mit seinen rheinhessischen Top-Lagen, dann schon zu Anfang meiner nochjungen Weinkarriere und es wurde mir recht früh von einem Sommelier als Top-Erzeuger vorgestellt. Immer mal wieder gab es etwas von Jochen ins Glas, jedoch leider ohne größere Hintergrundinfos oder persönlichen Kontakt. Der persönliche Kontakt kam dann durch Zufall im Sommer zustande, als wir uns auf dem Sommerfest eines Weinhandels trafen und ich mit Sommelier und Freund Rene, die von Jochen mitgebrachten Weine probierte. Das waren zum einen die „vermeintlich“ kleinen Rieslinge, Riesling Gutswein und der Bechtheimer Riesling, zum anderen seine Flaggschiffe um Morstein und Geyersberg. Nicht nur wir beide waren wirklich geflashed, wie sich Morstein, vor allem aber auch Geyersberg, beide aus 2012, an diesem Tag präsentierten. Das war unglaublich gut und ließ mir nichts Anderes übrig, als das gesamte Portfolio zu probieren.

Umso erfreuter war ich, als dann ein Date gefunden wurde an dem ich mich mit Jochen Dreissigacker treffen und einen Tag lernen durfte.

„Etwas herausragendes Schaffen“

„Wir ziehen bald um“, heißt es zurückhaltend, als wir den edlen, dabei gemütlichen Verkostungsraum im noch aktuellen Weingut betreten. „Wohin? Und wozu? Ist doch astrein hier“, ist mein erster Eindruck. Allerdings sollte ich dieses Thema betreffend, später am Tag, noch meinen plötzlich in Bodennähe verlorenen Unterkiefer einfangen und diesen auf Werkseinstellung zurücksetzen.

Zum Ankommen gibt es Gutswein. Riesling, 2016. Frisch, Druck und mit überraschender Dichte. Grade hingesetzt, bittet uns Mama Dreissigacker zum gemeinsamen Lunch im Freien. „Wir essen mittags immer alle zusammen“, erklärt Jochen. So gibt es vorweg, gegen die 14 Grad draußen, ein Süppchen, anschließend Gulasch mit Knödeln und Salat. Ewig nicht gegessen, ganz großes Kino. Mir wird das ganze Team vorgestellt das in den letzten Jahren stetig gewachsen ist, um die hohe Nachfrage bewältigen zu können. Ein junges, motiviertes Team das Lust hat, guten Wein zu machen. „Was magst du denn probieren?“ – Natürlich alles was geht, schließlich bin ich nicht umsonst 40 min um das, durch Baustellenmarkierungen, quasi von der Außenwelt abgeschirmte Bechtheim herumgekurvt.

Wir entscheiden uns für folgende Strategie:

Riesling rauf und runter, anschließend die Burgunderrebsorten. 

Und in unserem knapp vier stündigen Tasting erlebe ich genau das, was ich aufgrund meiner letzten Dreissigacker-Weine erwartet habe, allerdings nicht über die volle Breite des umfangreichen Portfolios. Die gesamte Kollektion ist aufeinander abgestimmt, strotzt vor Spannung und spiegelt die Philosophie und Vision des Winzers super gelungen wieder. Vom Gutswein Riesling, der mit für einer seiner Art außergewöhnlichen Tiefe, Saftigkeit und Frische einen tollen Einstieg in Jochens Idee von Riesling präsentiert. Über charakterstarke Lagenweine aus Morstein, Kirchspiel, Rosengarten und Geyersberg, bei denen das Terroir grandios herausgearbeitet ist, bis hin zum extravertierten, neue Wege gehenden Einzigacker Weissburgunder ist das alles hier ganz großes Kino und gefällt mir wahnsinnig gut. 

Dreissigacker – Die Weine

Bechtheimer Riesling 2015

Meine Riesling-Überraschung im Hause Dreissigacker. Der Bechtheimer Riesling überzeugt mich mit seinem Spiel aus Frucht von Zitrone, Kräutern, etwas Melone und reifem Pfirsich, angenehmer Saftigkeit, moderater Säure und knackiger Mineralität.

Wunderwerk Riesling 2013

Im Wunderwerk werden Trauben aus Jochens besten Bechtheimer Lagen cuvertiert. Der 2013er ist toll gereift und zeigt neben gelber Frucht, Karamell und Banane eine vitale Säure. Konzentriert, vollaromatisch, top ausbalanciert mit sehr langem Finish.

Kirchspiel 2012 

In toller Verfassung und ein wahres Kirchspiel. Mit der für diese Top-Lage üblichen Eleganz und Filigranität präsentiert sich das 12er Kirchspiel karg und mit Noten von reifen gelben Früchten, Nuss und Kräutern, unterlegt von feiner Säure. Langes, kräutriges Finish.

Morstein 2013

Als großer Fan der Lage Morstein, spricht mich dieses extrem karge, salzige sehr an. Eine Mineralität die ihresgleichen sucht, gar pritzeln auf der Zunge. Sehr komplex mit Frucht von saftiger Mirabelle, Quitte und etwas Brioche, ausgestattet mit enormer Kraft und Dichte, feinem Schmelz und ewig langem, salzig-kräutrigen Finish. Besser 30-45 min in die Karaffe packen. Hammer!

Geyersberg 2015

Zwar keine Monopollage, dennoch Jochens „Baby“. Und das zurecht. Auf 12ha verwittertem Kalkstein wachsen alte Reben, aus denen Jochen einen mineralischen und dabei sehr saftigen, würzigen und sogar etwas rauchigen Riesling auf die Flasche bringt. Feine kleine Bläschen im Glas sorgen für ein vibrieren auf der Zunge. Strotzend vor Kraft, dabei elegant und mit vibrierendem Finish.

Bechtheimer Chardonnay 2015

Helles Gold im Glas. Reifer roter Apfel, Nuss und ein Touch Holz in der Nase, am Gaumen nussig, Brioche, weich, cremig und angenehme Säure. Expressiv und frisch. Super zugänglich und findet sowohl solo als auch als Essensbegleiter jede Menge Freunde.

Einzigacker Weißburgunder 2015

Nur 3500 bis 4000 Flaschen werden jährlich produziert. Mit viel Luft öffnet er sich zu einem besonderen Weissburgunder. Reife Trauben machen ihn zu einem intensiven, gehaltvollen und dichten Wein seiner Art. Kandierte Äpfel, Brioche frisch aus dem Ofen und sehr fein eingewobenes Holz geben dem Einzigacker neben knackiger Mineralität eine dezente Cremigkeit. Rund, anspruchsvoll, lang.

Jochen Dreissigacker: „Ein Projekt für Generationen“

Ich hatte eingangs von einem abhandengekommenen Unterkiefer gesprochen. Nach erfolgreicher und ausführlicher Verkostung geht es ins Auto in Richtung „neues Weingut“. Dieses soll Zuhause und Arbeitsplatz vereinen, das aktuelle Weingut somit ablösen und den Betrieb „etwas vergrößern“. Weingläser für die 2017er Proben im Anschlag, geht es durch Bechtheim. 

Vorbei an Häusern, Gärten und einem rheinhessischen Fort Knox. „Ja, das sind wir.“ – „Wo?“ – „Ja, da. Das ist das neue Weingut.“ Stille. Aussteigen. Immer noch Stille, bis auf einen Bohrer, der inmitten dieses monumentalen, super eleganten Komplexes seinen Weg durch den Beton bahnt. Ich muss lachen, denn Jochen hatte den ganzen Tag recht tief Gestapelt. Ja, man würde sich vergrößern, man brauche mehr Platz und Spielraum zum Experimentieren. Rückblickend hat das den gut gelaunten Rheinhessen noch sympathischer gemacht, als er ohnehin den ganzen Tag war. Ein richtig guter Typ.

Dazu kommt, dass das, was ich gerade sehe, nur ein Teil von dem ist, was hier entsteht. Das Gebäude ist, wie man auf den Bildern sehen kann, in drei, in Stufen angeordnete, Abschnitte unterteilt. Allesamt sind diese noch rund 10m unterbaut. Einen wirklichen Eindruck von der tatsächlichen Größe bekommt man erst, wenn man inmitten der wahnsinnig hohen Korridore und Räume steht. Und genau diese Räume lassen Jochen jede Menge Spielraum zum Experimentieren. Im größten, aus dem Erdgeschoss, durch eine große Fensterscheibe, einsehbaren Raum stehen gut und gerne 60 Fässer. Andere Räume sind mit Stahltanks bestückt. In einer Ecke findet sich sogar ein imposanter Betontank, dessen Wein passend den Namen „Stein“ trägt.

Ich bin sehr froh, das Weingut in diesem Stadium des Umschwungs erleben zu dürfen. So kann ich zum einen das „alte“ Dreissigacker mit seinem familiären Charme kennenlernen, zum anderen das bestaunen, was in Bechtheim gerade auch für die nächsten Generationen geschaffen wird, ohne dabei an Charme zu verlieren.

Impressionen:

BJRLeBouquet

Björn Bittner ist der Gründer von BJR Le Bouquet. Im Magazin beschäftigt er sich mit den Themen Premium-Kulinarik, Luxus und Lifestyle. Bon Vivant!

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